Stühlinger Magazin 2024–2 erschienen

Noch vor der Europa- und Kommunawahl am 9. Juni 2024 ist die zweite Ausgabe des Stühlinger Magazins in die­sem Jahr erschie­nen. Als Titelthema haben wir die­ses Mal zum 65. Geburtstag das Ulrich-Zasius-Haus, das älteste Studierenden-Wohnheim der Stadt am west­li­chen Rand des Stühlingers.

Ein wei­te­res Schwerpunktthema der Ausgabe sind gleich vier Geschäfte im Stühlinger unter­schied­li­cher Art: Die Bierhandlung in der Wannerstraße, das Café Huber, wash & fun in der Egonstraße und Grafik Weiß.

Außerdem geht es um Rechtsextremismus und die Bedeutung der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und einige wei­tere Themen. Eine volle Auflistung der Themen fin­det sich im Folgenden:

Inhaltsverzeichnis

Stühlinger Magazin 2024–2 erschie­nen wei­ter­le­sen

40 Jahre Stühlinger Magazin – Einblicke in 40 Jahre Stadtteilgeschichte

2023 hat das Stühlinger Magazin sein 40jähriges Jubiläum gefei­ert. Wir haben in zwei Plakaten die Titelseiten aller Ausgaben bis 2023 zusam­men­ge­stellt. Die ers­ten 25 Jahre (1983−2008) und die nächs­ten 15 Jahre (2008−2023). 

An der Zusammenstellung lässt sich schön die Entwicklung des Layouts durch tech­ni­schen Fortschritt nach­ver­fol­gen. Angefangen hat alles 1983 mit Schwarz-Weiß-Druck von fast aus­schließ­lich Text, spä­ter kam ein eige­nes Logo dazu, das Titelblatt füllte sich in den 2000ern mit Farbe und erhielt schließ­lich ein Cover-Bild.

Im ver­gan­ge­nen Jahr gab es eine vier­teile Serie zur Geschichte des Magazins und der Stühlinger SPD in den letz­ten 40 Jahren. Jede Ausgabe wid­mete sich einem Jahrzehnt. Die Texte geben einen Einblick in das rege Leben und die gro­ßen Veränderungen im Stühlinger der letz­ten Jahrzehnte und zei­gen auch auf, wel­che Rolle die Stühlinger SPD dabei gespielt hat. Ein paar Beispiele aus der Dekda 1983–1993: Der Gedenkstein am Hildaspielplatz, das Entstehen des E‑Werks, der Stühlinger Gewerbehof; die Stühlinger SPD hat war in allen Fällen wesent­lich bei der Etablierung betei­ligt, die nun zum Inventar des Stadtteils gehö­ren.

In den fol­gen­den Jahrzehnten folg­ten unter ande­rem das Eschholzstraßenfest von 2004, , „Besitzung“ des Stühlingers (Außenbewirtung), Milieuschutz für den Stühlinger und die Urbanisierung des Eschholzpark. Die Erinnerung an die letz­ten vier Jahrzehnte lässt sich hier in der der Zusammenstellung der Beiträge des letz­ten Jahres nach­le­sen. Viel Freude beim Lesen!

Jugendzentrum Letz Fetz: Vernissage am Freitag 13.03.2020

Entstanden ist die Vernissage aus einem Projekt der Mädchengruppe II her­aus, die sich ein Jahr mit dem Thema Selbstdarstellung und krea­tive Ausdruckmöglichkeiten beschäf­tigt hat. Entstanden sind Photographien und Postkarten. Die Gruppe wollte die Ergebnisse einer brei­te­ren Öffentlichkeit vor­stel­len und kam so auf die Idee einer Vernissage.

Bei die­ser Vernissage besteht die Möglichkeit, Bilder und Postkarten käuf­lich zu erwer­ben. Der Erlös geht zu Gunsten der Mädchengruppe.

Über einen Besuch würde sich die Mädchengruppe sehr freuen.

Spätschicht – Freiräume im Stühlinger schaffen

Steve Wolff-Vorbeck vom Stühlinger Magazin beglei­tet eine Nachtschicht im ¨Bis Späti¨

Ziemlich genau drei Monate ist es nun her, dass im Stühlinger der neue Spätverkauf „Bis Späti“ im ehe­ma­li­gen Joseph-Stüble auf­ge­macht hat. Seither erhitzt das Thema die Gemüter in der Stadt und vor allem hier im Stadtteil.
Anwohner*innen, die nachts ihre wohl­ver­diente Ruhe haben wol­len auf der einen, und meist junge Nachtschwärmer*innen, die nach nächt­li­chen Freiräumen suchen, die es in Freiburg lei­der viel zu wenig gibt, auf der ande­ren Seite. Dieser besagte Freiraum wurde in den letz­ten Wochen und Monaten am knapp hun­dert Meter ent­fern­ten Lederle-Platz gefun­den. In hei­ßen Sommernächten hiel­ten sich dort teils an die 100 Menschen auf – die Situation der Anwohner*innen wurde uner­träg­lich, die Stadt schal­tete sich ein. Seither wird der Platz am Wochenende teils mehr­fach vom Ordnungsamt geräumt.
Eine sol­che Situation ver­langt nach Kompromissen und Konzepten und für mich ist klar: es braucht hier Lösungen. Lösungen, die einer­seits die Situation der Anwohner*innen und Gastronom*innen am Lederle-Platz ver­bes­sert, ande­rer­seits aber neue attrak­tive Freiräume im Stühlinger schafft, um gerade jun­gen Menschen ein Nachtleben zu ermög­li­chen.
In der letz­ten Zeit sind dies bezüg­lich einige Lösungvorschläge auf­ge­taucht.
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Eschholzpark nutzen für das Sommer-Straßenleben der Stadt

Konstruktiver Vorschlag für ein ver­träg­li­ches Miteinander

nördlicher Eschholzpark
nörd­li­cher Eschholzpark

Die Kontroverse um den „Spätverkauf“ an der Eschholzstraße im Stühlinger hat ein­mal mehr gezeigt, dass es an Freiräumen für jün­gere Menschen in der Stadt fehlt. Freiburg lebt von sei­ner Universität und braucht daher auch ein attrak­ti­ves, urba­nes Leben. Die StudentInnen und Angestellten der Univer­si­tät machen Freiburg erst zu dem, was es als Stadt ist – klein und gemüt­lich einer­seits, aber auch kul­tu­rell aktiv und leben­dig. Dass sich im Sommer das Leben auch auf der Straße abspielt, ist dabei eine Selbstverständlichkeit.

In einer Stadt gilt es stets aufs Neue, die ver­schie­de­nen Interessen unter einen Hut zu brin­gen. Unser Ansatz ist daher, nichts anzu­pran­gern, son­dern nach Lösungen zu suchen, die mög­lichst vie­len gerecht wer­den.

Eschholzpark nut­zen für das Sommer-Straßenleben der Stadt wei­ter­le­sen

Ist das Siegesdenkmal ein Zeichen von Freundschaft?

Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.

Das Freiburger Siegesdenkmal

Am nörd­li­chen Ende der Freiburger Innenstadt, steht Victoria, herr­schaft­lich einen Lorbeerkranz über die Truppenteile des wer­den­den deut­schen Kaiserreichs erhe­bend, als Versinnbildlichung des Sieges des nord­deut­schen Bundes und sei­ner süd­deut­schen Verbündeten über Frankreich im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg. 2017, bei­nahe 150 Jahre nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg wurde das Denkmal wie­der auf­ge­stellt. Das erneute Aufstellen scheint auf den ers­ten Blick ahis­to­risch und unzeit­ge­mäß. Das Denkmal ent­stand nur wenige Jahre nach dem Krieg im Zeitalter der natio­na­lis­ti­schen Ideologien in Europa, die Europa in den Abgrund des 1. Weltkriegs stürz­ten. Die natio­na­lis­ti­sche Idee, die aus dem Denkmal spricht, ver­lor schließ­lich nach der Katastrophe des Nazi-Regimes für den Großteil der Gesellschaft seine Anziehung. Daher über­rascht die erneute Auf- und Umstellung des Siegesdenkmals im Zuge des Umbaus des Verkehrsknotens. Jedoch wurde im März 2018 vom Stadtrat beschlos­sen, das Denkmal mit einer Informationsplakette zu ver­se­hen. „Das his­to­ri­sche Siegesdenkmal soll uns dazu anhal­ten, Nationalismus und Krieg dau­er­haft zu über­win­den und uns aktiv für Frieden und Völkerverständigung ein­zu­set­zen.“ soll es auf  der Plakette hei­ßen. In der Pressemitteilung der Stadt steht „Historischer Kontext soll deut­lich wer­den“. Diese his­to­ri­sche Einordnung ist sinn­voll und not­wen­dig, über­rascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errichtung des Denkmals geschlos­sen wurde. Noch frag­wür­di­ger und pro­ble­ma­ti­scher jedoch ist die Beibehaltung des Namens „Siegesdenkmal“, ja sie schwächt die Intention der his­to­ri­schen Aufarbeitung des Siegesdenkmals durch die geplante Plakette.
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Ist das Siegesdenkmal ein Zeichen von Freundschaft?

Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.

Das Freiburger Siegesdenkmal

Am nörd­li­chen Ende der Freiburger Innenstadt, steht Victoria, herr­schaft­lich einen Lorbeerkranz über die Truppenteile des wer­den­den deut­schen Kaiserreichs erhe­bend, als Versinnbildlichung des Sieges des nord­deut­schen Bundes und sei­ner süd­deut­schen Verbündeten über Frankreich im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg. 2017, bei­nahe 150 Jahre nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg wurde das Denkmal wie­der auf­ge­stellt. Das erneute Aufstellen scheint auf den ers­ten Blick ahis­to­risch und unzeit­ge­mäß. Das Denkmal ent­stand nur wenige Jahre nach dem Krieg im Zeitalter der natio­na­lis­ti­schen Ideologien in Europa, die Europa in den Abgrund des 1. Weltkriegs stürz­ten. Die natio­na­lis­ti­sche Idee, die aus dem Denkmal spricht, ver­lor schließ­lich nach der Katastrophe des Nazi-Regimes für den Großteil der Gesellschaft seine Anziehung. Daher über­rascht die erneute Auf- und Umstellung des Siegesdenkmals im Zuge des Umbaus des Verkehrsknotens. Jedoch wurde im März 2018 vom Stadtrat beschlos­sen, das Denkmal mit einer Informationsplakette zu ver­se­hen. „Das his­to­ri­sche Siegesdenkmal soll uns dazu anhal­ten, Nationalismus und Krieg dau­er­haft zu über­win­den und uns aktiv für Frieden und Völkerverständigung ein­zu­set­zen.“ soll es auf  der Plakette hei­ßen. In der Pressemitteilung der Stadt steht „Historischer Kontext soll deut­lich wer­den“. Diese his­to­ri­sche Einordnung ist sinn­voll und not­wen­dig, über­rascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errichtung des Denkmals geschlos­sen wurde. Noch frag­wür­di­ger und pro­ble­ma­ti­scher jedoch ist die Beibehaltung des Namens „Siegesdenkmal“, ja sie schwächt die Intention der his­to­ri­schen Aufarbeitung des Siegesdenkmals durch die geplante Plakette.
Namensgebungen und Neubenennungen spiel­ten und spie­len in der Geschichte und in ver­schie­de­nen Gesellschaften eine bedeu­tende Rolle, denn Namen sind meist auch Programm. Man erin­nere sich an die Diskussionen zur Namenswahl des der­zei­ti­gen Papstes Franziskus, dem durch die Wahl ein Reformanspruch und Verzicht auf Prunk zuge­spro­chen wurde. Als Akt der Emanzipation nah­men sich viele befreite Sklaven der ver­ei­nig­ten Staaten neue Namen (daher der häu­fige Name „Freeman“). Der afro-ame­ri­ka­ni­sche Bürgerrechtler Malcolm X änderte gleich zwei­mal sei­nen Namen (von „Malcolm Little“ zu „Malcolm X“ zu „El Hajj Malik el-Shabazz“), was jeweils eine Wende im Denken des Bürgerrechtlers aus­drückte. Nicht zu ver­ges­sen ist auch die poli­ti­sche Bedeutung der Umbenennung gan­zer Städte wie etwa die Umbenennung der Stadt Chemnitz zu Karl-Marx-Stadt in der DDR oder die sowje­ti­sche Umbenennung St. Petersburgs zu Leningrad. Ein posi­ti­ves Beispiel setzte die Stadt Freiburg durch die Einberufung einer his­to­ri­schen Kommission zur Prüfung der Straßennamen der Stadt.
Zwar wurde im März 2018 auch beschlos­sen, den darum lie­gen­den Platz als Europaplatz zu benen­nen, doch bleibt der Name Siegesdenkmal erhal­ten. Wie wirkt das Denkmal heute? Das Denkmal blickt den Straßenbahnen und Fußgängern die sich die zen­trale Kaiser-Joseph-Straße Richtung Norden bewe­gen, direkt ent­ge­gen und bil­det somit den impo­san­ten Abschluss der Kaiser-Joseph-Straße. Es steht somit in direk­ter Linie Richtung Norden vom Bertoldsbrunnen und nimmt damit eine pro­mi­nente Stelle im Stadtplan ein. Bis heute wur­den noch keine Informationsplaketten auf­ge­stellt. Das Denkmal bleibt auf­grund sei­ner Größe und Eindrücklichkeit im Gedächtnis. Die feh­len­den Plaketten tun ihr Übriges dazu, wobei auch Informationsplaketten ver­mut­lich den all­ge­mei­nen Eindruck nicht wesent­lich ver­än­dern wer­den, zumal die Haltestelle der öffent­li­chen Verkehrsmittel eben­falls den Namen Siegesdenkmal trägt. Eine his­to­risch-kri­ti­sche Aufarbeitung his­to­ri­scher Denkmäler kann anders und bes­ser aus­se­hen.
Ein mög­li­ches Vorbild für die sinn­volle Umwidmung und Umbenennung eines öffent­li­chen Denkmals ist das Antikolonialdenkmal in Bremen. Das Denkmal in Form eines aus Backstein gebau­ten Elefants wurde 1932 als „Reichskolonialehrendenkmal“ ein­ge­weiht und 1990 zum „Antikolonialdenkmal“ umge­wid­met. 2009 wurde zusätz­lich zu dem all­ge­mein gehal­te­nen Antikolonialdenkmal ein Erinnerungsort an die Opfer des Völkermords der deut­schen Kolonialtruppen an den Herero und Nama im heu­ti­gen Namibia geschaf­fen. Dazu wur­den Steine aus der Omahe-Wüste in Namibia, wohin viele Herero ver­trie­ben und gejagt wur­den und ver­durs­te­ten, in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Antikolonialdenkmal auf­ge­stellt. Aus einem ehe­ma­li­gen natio­nal-kolo­nia­lis­ti­schem Denkmal ist somit ein Erinnerungsort und Denkmal an his­to­ri­sche Gräueltaten des deut­schen Staates gewor­den.
Eine ähn­li­che Umwidmung oder Umformung des Denkmals hätte auch zu Freiburg gepasst und es ange­sichts der ohne­hin statt­fin­den­den Erneuerung des Platzes gab es eine gute Möglichkeit dazu. Kritische Auseinandersetzung ist sinn­vol­ler als blo­ßes Retuschieren, inso­fern ist nicht unbe­dingt etwas gegen die Wiederaufstellung des Denkmals zu sagen, zumal dem Stadtrat ange­sichts des bei­nahe ein­stim­mi­gen Beschlusses zur „Historisierung“ des Denkmals mit­hilfe der Informationsplakette keine natio­na­lis­ti­sche Intention zu unter­stel­len ist. Wohl las­sen sich aber in mei­nen Augen gegen die zu geringe, da nicht ein­präg­same Aufarbeitung des Denkmals Einwände erhe­ben. Parallel zur Umwidmung des genann­ten Anti-Kolonialdenkmals in Bremen erscheint mir in Bezug auf das „Siegesdenkmal“ eine Umbenennung in „Anti-Kriegsdenkmal“ oder „Friedensdenkmal“ gerecht­fer­tigt. Möglich wäre auch eine Erweiterung des Denkmals zur posi­ti­ven Erinnerung der freund­schaft­li­chen Beziehungen zwi­schen Deutschland und Frankreich seit dem 2. Weltkrieg. Ein sol­cher posi­ti­ver Pol gegen­über der krie­ge­ri­schen Vergangenheit wäre zum Beispiel eine Art Erinnerung an den Élysée-Vertrag von 1963 der die freund­schaft­li­chen Beziehungen zwi­schen den bei­den Nachbarstaaten besie­gelte. In Zeiten, in denen pro­mi­nente Persönlichkeiten gewähl­ter Parteien eine „180°-Wendung“ der Erinnerungskultur for­dern und die Sinnhaftigkeit der Europäischen Union grund­sätz­lich in Frage gestellt wird, könnte das Denkmal somit als eine ein­dring­li­chere Erinnerung an die schwer geschaf­fe­nen Grundlagen zum Frieden im west­li­chen Europa seit Ende des 2. Weltkriegs die­nen.

Missliche Aufklärung der jüdischen Geschichte Freiburgs

Wegweiser zum Ort der Deportation der Freiburger Juden auf dem Platz der alten Synagoge

Pünktlich zum Ende der Badesaison errich­tete die Stadt Freiburg am Platz der alten Synagoge Informationstafeln über des­sen Bedeutung frü­her und heute als Mahnmal. Die Wahl des Platzes ist etwas frag­wür­dig. Die Tafeln ste­hen nah genug an der Synagoge, so dass man sich den­ken könnte, da bestünde ein Zusammenhang, aber auch weit genug weg, um sie zu igno­rie­ren. Aber immer­hin ste­hen sie da und es wird gebe­ten, nicht im Wasser zu plan­schen oder zu spie­len, da es eine Gedenkstätte sei. Nun kann man sich fra­gen, warum es über­haupt so lange dau­erte bis diese Tafeln auf­ge­stellt wur­den. Bei einer logi­schen Planung des Denkmals hätte auf­fal­len müs­sen, dass Menschen, beson­ders im Sommer, sich gerne im Wasser abküh­len. Doch abge­se­hen von den mensch­li­chen Bedürfnissen, bei denen sich die Menschen stets am nächs­ten zu sein schei­nen, stellt sich die Frage, warum nicht von Anfang an Informationstafeln auf­ge­stellt wur­den, die über die schlim­men Ereignisse in Freiburg infor­mie­ren und erklä­ren, warum die­ses Denkmal gebaut wurde.
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Verstehen braucht Information – Zur misslichen Aufklärung der jüdischen Geschichte Freiburgs im Nationalsozialismus

Wegweiser zum Ort der Deportation der Freiburger Juden auf dem Platz der alten Synagoge

Pünktlich zum Ende der Badesaison errich­tete die Stadt Freiburg am Platz der alten Synagoge Informationstafeln über des­sen Bedeutung frü­her und heute als Mahnmal. Die Wahl des Platzes ist etwas frag­wür­dig. Die Tafeln ste­hen nah genug an der Synagoge, so dass man sich den­ken könnte, da bestünde ein Zusammenhang, aber auch weit genug weg, um sie zu igno­rie­ren. Aber immer­hin ste­hen sie da und es wird gebe­ten, nicht im Wasser zu plan­schen oder zu spie­len, da es eine Gedenkstätte sei. Nun kann man sich fra­gen, warum es über­haupt so lange dau­erte bis diese Tafeln auf­ge­stellt wur­den. Bei einer logi­schen Planung des Denkmals hätte auf­fal­len müs­sen, dass Menschen, beson­ders im Sommer, sich gerne im Wasser abküh­len. Doch abge­se­hen von den mensch­li­chen Bedürfnissen, bei denen sich die Menschen stets am nächs­ten zu sein schei­nen, stellt sich die Frage, warum nicht von Anfang an Informationstafeln auf­ge­stellt wur­den, die über die schlim­men Ereignisse in Freiburg infor­mie­ren und erklä­ren, warum die­ses Denkmal gebaut wurde.

Wenn man den Bau in der Retrospektive betrach­tet, könnte man der Stadt Freiburg Böses unter­stel­len und zwar, dass es ihr nicht um einen Erinnerungsort ging, son­dern nur darum einen schö­nen gemüt­lich Platz mit Wasser zu schaf­fen. Warum sonst war es wich­ti­ger einen Teil der ori­gi­na­len Steine der Synagoge weg­zu­schaf­fen, um das „per­fekte“ Bauwerk nicht zu ver­schan­deln? Wäre es nicht ein­drück­li­cher gewe­sen, die Überreste mit ein­zu­bauen? Stehen wir nicht beein­druck­ter und emo­tio­na­ler vor einem ori­gi­na­len Bauwerk aus dem bei­spiels­weise 15. Jahrhundert, als vor einem kom­plett nach­ge­bau­ten Bauwerk? Viele Kinder haben nackt im Wasser des Denkmals gespielt, geplanscht, Hunde haben mit ihnen da drin­nen getollt. Eltern stan­den im Bikini und Badehose dane­ben oder auch mit drin­nen und haben es genos­sen, sich in der Sonne abküh­len zu las­sen. Manche haben es sogar so weit gebracht, sich in der Synagoge mit Wasserpistolen abzu­schie­ßen, quasi wie im Freibad, wobei dies durch den star­ken Chlorgeruch nur bestärkt wurde.

Warum? Kinder kön­nen und sol­len über­all spie­len, sie ver­ste­hen nicht, was ein Friedhof ist und wahr­schein­lich noch weni­ger was eine Gedenkstätte ist. Man kann ihnen kei­nen Vorwurf machen. Doch die Eltern ver­ste­hen sehr wohl was das ist. Niemand hätte wohl was dage­gen, wenn Kinder ihre Füße in die Synagoge hal­ten oder am Beckenrand etwas mit dem Wasser spie­len, aber man kann den Kindern sagen, dass es ein Ort der Besinnung ist und es nicht der rich­tige Ort ist, eine Strandstimmung zu erzeu­gen. Freiburg bie­tet viele Badegelegenheiten, warum muss es dann die Synagoge sein? Warum sucht man sich bei so vie­len mög­li­chen Badestätten aus­ge­rech­net das Denkmal der Synagoge aus? Ist es Ignoranz? Die mensch­li­che Unachtsamkeit, der die Menschen dazu bewegt alles zu machen, Hauptsache ihnen geht es in die­sem Moment gut? Fehlende Aufklärung? Wenn man ehr­lich ist, ist es wohl von allem etwas. Doch zumin­dest gegen die feh­lende Aufklärung kann und muss etwas getan wer­den und sie beein­flusst viel­leicht zumin­dest ein wenig die ande­ren Aspekte.

Doch lei­der kam die Aufklärung zu spät und auch beim Straßenschild nach „Gurs“, einer klei­nen Stadt in Frankreich im Département Pyrénées-Atlantiques, steht kei­ner­lei Information, warum die­ses Schild da steht. Mit die­sem Artikel soll zumin­dest ein klei­ner Beitrag zur Aufklärung geleis­tet wer­den und der Wunsch nach einer wei­te­ren Beschilderung direkt unter dem Verkehrsschild geäu­ßert wer­den.

Am Dienstag, den 22. Oktober 1940 wur­den fast alle Juden Badens, der Pfalz, und des Saarlandes durch den badi­schen Gauleiter Robert Wagner und Josef Bürckel, den Gauleiter von Saarpfalz, aus ihrer Heimat geris­sen. Die „Nichtarier“ wur­den in das unbe­setzte Frankreich gebracht. Der 22. Oktober 1940 ent­sprach im jüdi­schen Kalender dem 20. Tishri (תשרי) des Jahres 5701, dem letz­ten Tag des Laubhüttenfestes. Dieses Fest erin­nert an den Aufenthalt in der Wüste, wäh­rend die Israeliten den Weg aus Ägypten nach Kanaan gehen muss­ten. Der letzte Tag des Sukott (סוכות) (=Laubhütten)- Festes ist eigent­lich ein freu­di­ger Tag, da mit ihm der Lese-Neubeginn eines Thora-Abschnittes beginnt. In die­sem Jahr wurde den Juden die Freude aber genom­men.

Der Auftrag für die Deportation wurde bereits am 15. Oktober 1940 beschlos­sen und wurde im Geheimen vor­be­rei­tet. Am Morgen des 22. Oktobers war es dann soweit und Polizeibeamte teil­ten 1993 Juden mit, dass sie fest­ge­nom­men seien, um abge­scho­ben zu wer­den und zwei Stunden haben, um sich dar­auf vor­zu­be­rei­ten. Für die betrof­fe­nen Juden kam dies also ziem­lich über­ra­schend und ohne jeg­li­che Vorwarnung. Lilli Reckendorf gibt durch einen Bericht Auskunft über den Eindruck des Geschehens im Stühlinger:

„Der Saal füllte sich von Stunde zu Stunde. Es kamen Lörracher, Sulzburger, Eichstetter, Breisacher etc. … Die sehr bunt zusam­men­ge­wür­felte Gesellschaft benahm sich sehr still, fast vor­nehm. Man muß sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass Bauern, Viehhändler, Kaufleute, Bankiers, Gelehrte, Beamte, Gesunde, Kranke, Blindem Taube, Irrsinnige und Verblödete waren. Alle waren sie auf einen Schlag hei­mat­los, ohne mehr Geld als 100 M, ohne mehr Gut als was sie zu tra­gen oder über­haupt in der Überstürzung ein­zu­pa­cken ver­moch­ten. Und das war bei man­chen sehr wenig. Es waren mehr Alte als Junge, mehr Frauen als Männer“.1

Die Juden soll­ten nach Frankreich gebracht wer­den. Die fran­zö­si­sche Regierung ver­suchte ver­ge­bens die deut­schen Staatsbürger nach Deutschland zurück­zu­füh­ren. So wur­den sie ins Internierungslager Gurs gebracht, wo unge­fähr ein Drittel von ihnen ver­starb. Ein Arzt (Ludwig Mann) beschreibt die Situation im Lager sehr anschau­lich: „Die Baracken waren kalt, feucht zugig und schmut­zig, die Strohsäcke lagen auf den schie­fen Bretterböden, schlecht gefüllt mit muf­fi­gen Stroh. Es gab Wanzen und Läuse, Ratten und Flöhe; aber kein Essgeschirr und kein Trinkgefäß. Alles Gepäck, die 20 kg, die pro Person erlaubt waren, war von dem Gepäckcamions auf die Lagerstraße gewor­fen wor­den und lag in wüs­tem Durcheinander in Dreck und Regen. Nur kleine Dinge hatte jeder bei sich, viel­leicht einen Becher, ein Messer, mit denen sich meh­rere behel­fen muss­ten. Wir waren voll­kom­men benom­men vom Schock der plötz­li­chen Deportation aus der Heimat, trotz der Erbarmungslosigkeit des Hitlertums eben doch die Heimat war, in der wir auf­ge­wach­sen waren und viele Generationen vor uns ihr Leben ver­bracht hat­ten. Viele begrif­fen immer noch nicht, was mit ihnen gesche­hen war. Man saß auf den Strohsäcken herum, raus konnte man nicht. Es reg­nete und reg­nete. Der Boden war ver­schlammt, man rutschte aus und sank ein. Die Gräben waren ver­stopft und das Wasser lief über (…)“.2

Schlimmer noch als die Beschreibung die­ses trost­lo­sen Ortes ist das Wissen, wie die Menschen dort leb­ten oder viel­mehr zu über­le­ben ver­su­chen muss­ten. „Die Nahrung, mit Morgengetränk (Kaffee), Mittags- und Abendssuppe in den Ilots [Inselchen, Einteilung des Lagers in Blöcke, Anm. d. Verf.] gekocht und durch 250g Brot auf durch­schnitt­lich 1000 Kalorien gebracht, war ganz unzu­rei­chend. Hunger, die völ­lig unge­nü­gende Hygiene – mehr­fa­che Ruhrepidimien, Läuse und ande­res Ungeziefer.“.3 Diese man­gelnde Hygiene und ärzt­li­che Versorgung sorgte für eine enorm hohe Sterblichkeitsrate. Im Winter 1940/41 betrug sie bis zu 500 Tote.

Else Liefmann, Kinderärztin und Pädagogin aus Freiburg schrieb, nach­dem sie nach Gurs depor­tiert wurde: „Wir haben täg­lich 10–15 Tote, meist alte Leute, aber auch ab und zu jün­gere und Kinder. Das ist dann beson­de­res trau­rig. Aber der Dreck hier ist unbe­schreib­lich, dass, obgleich in mei­ner Infirmerie (Krankenstation) die Schwestern her­vor­ra­gend arbei­ten, dage­gen kaum anzu­ge­hen ist. Außerdem feh­len uns ja so gut wie alle Hilfsmittel und die Wirkung ist mini­mal. Der Vertreter des Roten Kreuzes wird hof­fent­lich berich­ten (…).“.4

Das ist nur ein klei­ner Einblick in die grau­same Geschichte der Oktoberdeportationen und die­ser wird den meis­ten Lesern schon genü­gen.

Selbstverständlich wird in Freiburg die­sem Tag gedacht, wie durch den Mantel auf der Wiwilíbrücke (blauen Brücke) oder auch durch die Synagoge. Doch sol­che Zeichen brau­chen Erklärungen und Aufklärung. Jetzt ste­hen end­lich Schilder mit Informationen bei der Synagoge und man kann nur hof­fen, dass die Menschen im Winter nicht auf die Idee kom­men, dar­aus eine Schlittschuhbahn zu machen oder im nächs­ten Sommer sich wie­der mit Pistolen spie­le­risch abzu­schie­ßen, weil das so viel Spaß macht. Auch wäre es mehr als erstre­bens­wert eine Information an das Verkehrsschild nach Gurs zu hän­gen, damit man an jeder mög­li­chen Stelle daran erin­nert wird, was pas­siert ist. Das Schild alleine klärt nicht auf. Wissen, Aufklärung und Bildung sind unab­ding­bar, um den Menschen zu zei­gen, was pas­siert ist und was sich auf kei­nen Fall wie­der­ho­len darf. Gerade in einer so auf­ge­heiz­ten Stimmung muss man mit Bildung gegen rechte Stimmen ankämp­fen, Vorurteile besei­ti­gen und Vertrauen schaf­fen. Wenn die Menschen wirk­lich ver­ste­hen, was damals pas­siert ist, kann es nicht noch ein­mal gesche­hen, doch dafür muss Aufklärung betrie­ben wer­den.

Literatur:
1Vgl. Bräunche, Otto/Steck, Volker. Geschichte und Erinnerungskultur. 22. Oktober 1940 – Die Deportation der badi­schen und saar­pfäl­zi­schen Juden in das Lager Gurs, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe, Karlsruhe 2010, S. 19.
2Vgl. Gerlach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hel­lich­ten Tag!“. Die Deportation der badi­schen, pfäl­zer und saar­län­di­schen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stuttgart 2000, S. 16.
3 Vgl. Krehbiel-Darmstädter, Maria, Briefe aus Gurs und Limonest 1940–1943, hrsg. von Walter Schmitthenner Heidelberg 1970, S. 21.
4Vgl. Gerlach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hel­lich­ten Tag!“. Die Deportation der badi­schen, pfäl­zer und saar­län­di­schen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stuttgart 2000, S. 17.

Warum tickt der Osten anders?

Der Osten, schön saniert und trotz­dem teils leer.

Ein Redaktionsmitglied des Stühlinger Magazins wird als Ex-Ossi oft damit kon­fron­tiert, was denn in sei­ner alten Heimat los ist. Zum Tag der deut­schen Einheit hat er daher einen län­ge­ren Artikel geschrie­ben, durch den viel­leicht klar wird, warum es sol­che Unterschiede in den Ansichten und Denkweisen zwi­schen Ost- und Westdeutschen gibt.