Ist das Siegesdenkmal ein Zeichen von Freundschaft?

Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.

Das Frei­bur­ger Sie­ges­denk­mal

Am nörd­li­chen Ende der Frei­bur­ger Innen­stadt, steht Vic­to­ria, herr­schaft­lich einen Lor­beer­kranz über die Trup­pen­tei­le des wer­den­den deut­schen Kai­ser­reichs erhe­bend, als Ver­sinn­bild­li­chung des Sie­ges des nord­deut­schen Bun­des und sei­ner süd­deut­schen Ver­bün­de­ten über Frank­reich im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg. 2017, bei­na­he 150 Jah­re nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg wur­de das Denk­mal wie­der auf­ge­stellt. Das erneu­te Auf­stel­len scheint auf den ers­ten Blick ahis­to­risch und unzeit­ge­mäß. Das Denk­mal ent­stand nur weni­ge Jah­re nach dem Krieg im Zeit­al­ter der natio­na­lis­ti­schen Ideo­lo­gien in Euro­pa, die Euro­pa in den Abgrund des 1. Welt­kriegs stürz­ten. Die natio­na­lis­ti­sche Idee, die aus dem Denk­mal spricht, ver­lor schließ­lich nach der Kata­stro­phe des Nazi-Regimes für den Groß­teil der Gesell­schaft sei­ne Anzie­hung. Daher über­rascht die erneu­te Auf- und Umstel­lung des Sie­ges­denk­mals im Zuge des Umbaus des Ver­kehrs­kno­tens. Jedoch wur­de im März 2018 vom Stadt­rat beschlos­sen, das Denk­mal mit einer Infor­ma­ti­ons­pla­ket­te zu ver­se­hen. „Das his­to­ri­sche Sie­ges­denk­mal soll uns dazu anhal­ten, Natio­na­lis­mus und Krieg dau­er­haft zu über­win­den und uns aktiv für Frie­den und Völ­ker­ver­stän­di­gung ein­zu­set­zen.“ soll es auf  der Pla­ket­te hei­ßen. In der Pres­se­mit­tei­lung der Stadt steht „His­to­ri­scher Kon­text soll deut­lich wer­den“. Die­se his­to­ri­sche Ein­ord­nung ist sinn­voll und not­wen­dig, über­rascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errich­tung des Denk­mals geschlos­sen wur­de. Noch frag­wür­di­ger und pro­ble­ma­ti­scher jedoch ist die Bei­be­hal­tung des Namens „Sie­ges­denk­mal“, ja sie schwächt die Inten­ti­on der his­to­ri­schen Auf­ar­bei­tung des Sie­ges­denk­mals durch die geplan­te Pla­ket­te.
Namens­ge­bun­gen und Neu­be­nen­nun­gen spiel­ten und spie­len in der Geschich­te und in ver­schie­de­nen Gesell­schaf­ten eine bedeu­ten­de Rol­le, denn Namen sind meist auch Pro­gramm. Man erin­ne­re sich an die Dis­kus­sio­nen zur Namens­wahl des der­zei­ti­gen Paps­tes Fran­zis­kus, dem durch die Wahl ein Reform­an­spruch und Ver­zicht auf Prunk zuge­spro­chen wur­de. Als Akt der Eman­zi­pa­ti­on nah­men sich vie­le befrei­te Skla­ven der ver­ei­nig­ten Staa­ten neue Namen (daher der häu­fi­ge Name „Free­man“). Der afro-ame­ri­ka­ni­sche Bür­ger­recht­ler Mal­colm X änder­te gleich zwei­mal sei­nen Namen (von „Mal­colm Litt­le“ zu „Mal­colm X“ zu „El Hajj Malik el-Shabazz“), was jeweils eine Wen­de im Den­ken des Bür­ger­recht­lers aus­drück­te. Nicht zu ver­ges­sen ist auch die poli­ti­sche Bedeu­tung der Umbe­nen­nung gan­zer Städ­te wie etwa die Umbe­nen­nung der Stadt Chem­nitz zu Karl-Marx-Stadt in der DDR oder die sowje­ti­sche Umbe­nen­nung St. Peters­burgs zu Lenin­grad. Ein posi­ti­ves Bei­spiel setz­te die Stadt Frei­burg durch die Ein­be­ru­fung einer his­to­ri­schen Kom­mis­si­on zur Prü­fung der Stra­ßen­na­men der Stadt.
Zwar wur­de im März 2018 auch beschlos­sen, den dar­um lie­gen­den Platz als Euro­pa­platz zu benen­nen, doch bleibt der Name Sie­ges­denk­mal erhal­ten. Wie wirkt das Denk­mal heu­te? Das Denk­mal blickt den Stra­ßen­bah­nen und Fuß­gän­gern die sich die zen­tra­le Kai­ser-Joseph-Stra­ße Rich­tung Nor­den bewe­gen, direkt ent­ge­gen und bil­det somit den impo­san­ten Abschluss der Kai­ser-Joseph-Stra­ße. Es steht somit in direk­ter Linie Rich­tung Nor­den vom Ber­tolds­brun­nen und nimmt damit eine pro­mi­nen­te Stel­le im Stadt­plan ein. Bis heu­te wur­den noch kei­ne Infor­ma­ti­ons­pla­ket­ten auf­ge­stellt. Das Denk­mal bleibt auf­grund sei­ner Grö­ße und Ein­drück­lich­keit im Gedächt­nis. Die feh­len­den Pla­ket­ten tun ihr Übri­ges dazu, wobei auch Infor­ma­ti­ons­pla­ket­ten ver­mut­lich den all­ge­mei­nen Ein­druck nicht wesent­lich ver­än­dern wer­den, zumal die Hal­te­stel­le der öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel eben­falls den Namen Sie­ges­denk­mal trägt. Eine his­to­risch-kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung his­to­ri­scher Denk­mä­ler kann anders und bes­ser aus­se­hen.
Ein mög­li­ches Vor­bild für die sinn­vol­le Umwid­mung und Umbe­nen­nung eines öffent­li­chen Denk­mals ist das Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal in Bre­men. Das Denk­mal in Form eines aus Back­stein gebau­ten Ele­fants wur­de 1932 als „Reichs­ko­lo­nia­leh­ren­denk­mal“ ein­ge­weiht und 1990 zum „Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal“ umge­wid­met. 2009 wur­de zusätz­lich zu dem all­ge­mein gehal­te­nen Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal ein Erin­ne­rungs­ort an die Opfer des Völ­ker­mords der deut­schen Kolo­ni­al­trup­pen an den Here­ro und Nama im heu­ti­gen Nami­bia geschaf­fen. Dazu wur­den Stei­ne aus der Oma­he-Wüs­te in Nami­bia, wohin vie­le Here­ro ver­trie­ben und gejagt wur­den und ver­durs­te­ten, in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal auf­ge­stellt. Aus einem ehe­ma­li­gen natio­nal-kolo­nia­lis­ti­schem Denk­mal ist somit ein Erin­ne­rungs­ort und Denk­mal an his­to­ri­sche Gräu­el­ta­ten des deut­schen Staa­tes gewor­den.
Eine ähn­li­che Umwid­mung oder Umfor­mung des Denk­mals hät­te auch zu Frei­burg gepasst und es ange­sichts der ohne­hin statt­fin­den­den Erneue­rung des Plat­zes gab es eine gute Mög­lich­keit dazu. Kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung ist sinn­vol­ler als blo­ßes Retu­schie­ren, inso­fern ist nicht unbe­dingt etwas gegen die Wie­der­auf­stel­lung des Denk­mals zu sagen, zumal dem Stadt­rat ange­sichts des bei­na­he ein­stim­mi­gen Beschlus­ses zur „His­to­ri­sie­rung“ des Denk­mals mit­hil­fe der Infor­ma­ti­ons­pla­ket­te kei­ne natio­na­lis­ti­sche Inten­ti­on zu unter­stel­len ist. Wohl las­sen sich aber in mei­nen Augen gegen die zu gerin­ge, da nicht ein­präg­sa­me Auf­ar­bei­tung des Denk­mals Ein­wän­de erhe­ben. Par­al­lel zur Umwid­mung des genann­ten Anti-Kolo­ni­al­denk­mals in Bre­men erscheint mir in Bezug auf das „Sie­ges­denk­mal“ eine Umbe­nen­nung in „Anti-Kriegs­denk­mal“ oder „Frie­dens­denk­mal“ gerecht­fer­tigt. Mög­lich wäre auch eine Erwei­te­rung des Denk­mals zur posi­ti­ven Erin­ne­rung der freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich seit dem 2. Welt­krieg. Ein sol­cher posi­ti­ver Pol gegen­über der krie­ge­ri­schen Ver­gan­gen­heit wäre zum Bei­spiel eine Art Erin­ne­rung an den Ély­sée-Ver­trag von 1963 der die freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zwi­schen den bei­den Nach­bar­staa­ten besie­gel­te. In Zei­ten, in denen pro­mi­nen­te Per­sön­lich­kei­ten gewähl­ter Par­tei­en eine „180°-Wendung“ der Erin­ne­rungs­kul­tur for­dern und die Sinn­haf­tig­keit der Euro­päi­schen Uni­on grund­sätz­lich in Fra­ge gestellt wird, könn­te das Denk­mal somit als eine ein­dring­li­che­re Erin­ne­rung an die schwer geschaf­fe­nen Grund­la­gen zum Frie­den im west­li­chen Euro­pa seit Ende des 2. Welt­kriegs die­nen.