Noch vor der Europa- und Kommunawahl am 9. Juni 2024 ist die zweite Ausgabe des Stühlinger Magazins in diesem Jahr erschienen. Als Titelthema haben wir dieses Mal zum 65. Geburtstag das Ulrich-Zasius-Haus, das älteste Studierenden-Wohnheim der Stadt am westlichen Rand des Stühlingers.
Ein weiteres Schwerpunktthema der Ausgabe sind gleich vier Geschäfte im Stühlinger unterschiedlicher Art: Die Bierhandlung in der Wannerstraße, das Café Huber, wash & fun in der Egonstraße und Grafik Weiß.
Außerdem geht es um Rechtsextremismus und die Bedeutung der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus und einige weitere Themen. Eine volle Auflistung der Themen findet sich im Folgenden:
2023 hat das Stühlinger Magazin sein 40jähriges Jubiläum gefeiert. Wir haben in zwei Plakaten die Titelseiten aller Ausgaben bis 2023 zusammengestellt. Die ersten 25 Jahre (1983-2008) und die nächsten 15 Jahre (2008-2023).
An der Zusammenstellung lässt sich schön die Entwicklung des Layouts durch technischen Fortschritt nachverfolgen. Angefangen hat alles 1983 mit Schwarz-Weiß-Druck von fast ausschließlich Text, später kam ein eigenes Logo dazu, das Titelblatt füllte sich in den 2000ern mit Farbe und erhielt schließlich ein Cover-Bild.
Im vergangenen Jahr gab es eine vierteile Serie zur Geschichte des Magazins und der Stühlinger SPD in den letzten 40 Jahren. Jede Ausgabe widmete sich einem Jahrzehnt. Die Texte geben einen Einblick in das rege Leben und die großen Veränderungen im Stühlinger der letzten Jahrzehnte und zeigen auch auf, welche Rolle die Stühlinger SPD dabei gespielt hat. Ein paar Beispiele aus der Dekda 1983-1993: Der Gedenkstein am Hildaspielplatz, das Entstehen des E-Werks, der Stühlinger Gewerbehof; die Stühlinger SPD hat war in allen Fällen wesentlich bei der Etablierung beteiligt, die nun zum Inventar des Stadtteils gehören.
In den folgenden Jahrzehnten folgten unter anderem das Eschholzstraßenfest von 2004, , „Besitzung“ des Stühlingers (Außenbewirtung), Milieuschutz für den Stühlinger und die Urbanisierung des Eschholzpark. Die Erinnerung an die letzten vier Jahrzehnte lässt sich hier in der der Zusammenstellung der Beiträge des letzten Jahres nachlesen. Viel Freude beim Lesen!
Entstanden ist die Vernissage aus einem Projekt der Mädchengruppe II heraus, die sich ein Jahr mit dem Thema Selbstdarstellung und kreative Ausdruckmöglichkeiten beschäftigt hat. Entstanden sind Photographien und Postkarten. Die Gruppe wollte die Ergebnisse einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen und kam so auf die Idee einer Vernissage.
Bei dieser Vernissage besteht die Möglichkeit, Bilder und Postkarten käuflich zu erwerben. Der Erlös geht zu Gunsten der Mädchengruppe.
Über einen Besuch würde sich die Mädchengruppe sehr freuen.
Steve Wolff-Vorbeck vom Stühlinger Magazin begleitet eine Nachtschicht im ¨Bis Späti¨
Ziemlich genau drei Monate ist es nun her, dass im Stühlinger der neue Spätverkauf „Bis Späti“ im ehemaligen Joseph-Stüble aufgemacht hat. Seither erhitzt das Thema die Gemüter in der Stadt und vor allem hier im Stadtteil.
Anwohner*innen, die nachts ihre wohlverdiente Ruhe haben wollen auf der einen, und meist junge Nachtschwärmer*innen, die nach nächtlichen Freiräumen suchen, die es in Freiburg leider viel zu wenig gibt, auf der anderen Seite. Dieser besagte Freiraum wurde in den letzten Wochen und Monaten am knapp hundert Meter entfernten Lederle-Platz gefunden. In heißen Sommernächten hielten sich dort teils an die 100 Menschen auf – die Situation der Anwohner*innen wurde unerträglich, die Stadt schaltete sich ein. Seither wird der Platz am Wochenende teils mehrfach vom Ordnungsamt geräumt.
Eine solche Situation verlangt nach Kompromissen und Konzepten und für mich ist klar: es braucht hier Lösungen. Lösungen, die einerseits die Situation der Anwohner*innen und Gastronom*innen am Lederle-Platz verbessert, andererseits aber neue attraktive Freiräume im Stühlinger schafft, um gerade jungen Menschen ein Nachtleben zu ermöglichen.
In der letzten Zeit sind dies bezüglich einige Lösungvorschläge aufgetaucht. weiterlesen
Konstruktiver Vorschlag für ein verträglichesMiteinander
nördlicher Eschholzpark
Die Kontroverse um den „Spätverkauf“ an der Eschholzstraße im Stühlinger hat einmal mehr gezeigt, dass es an Freiräumen für jüngere Menschen in der Stadt fehlt. Freiburg lebt von seiner Universität und braucht daher auch ein attraktives, urbanes Leben. Die StudentInnen und Angestellten der Universität machen Freiburg erst zu dem, was es als Stadt ist – klein und gemütlich einerseits, aber auch kulturell aktiv und lebendig. Dass sich im Sommer das Leben auch auf der Straße abspielt, ist dabei eine Selbstverständlichkeit.
In einer Stadt gilt es stets aufs Neue, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen. Unser Ansatz ist daher, nichts anzuprangern, sondern nach Lösungen zu suchen, die möglichst vielen gerecht werden.
Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.
Das Freiburger Siegesdenkmal
Am nördlichen Ende der Freiburger Innenstadt, steht Victoria, herrschaftlich einen Lorbeerkranz über die Truppenteile des werdenden deutschen Kaiserreichs erhebend, als Versinnbildlichung des Sieges des norddeutschen Bundes und seiner süddeutschen Verbündeten über Frankreich im deutsch-französischen Krieg. 2017, beinahe 150 Jahre nach dem deutsch-französischen Krieg wurde das Denkmal wieder aufgestellt. Das erneute Aufstellen scheint auf den ersten Blick ahistorisch und unzeitgemäß. Das Denkmal entstand nur wenige Jahre nach dem Krieg im Zeitalter der nationalistischen Ideologien in Europa, die Europa in den Abgrund des 1. Weltkriegs stürzten. Die nationalistische Idee, die aus dem Denkmal spricht, verlor schließlich nach der Katastrophe des Nazi-Regimes für den Großteil der Gesellschaft seine Anziehung. Daher überrascht die erneute Auf- und Umstellung des Siegesdenkmals im Zuge des Umbaus des Verkehrsknotens. Jedoch wurde im März 2018 vom Stadtrat beschlossen, das Denkmal mit einer Informationsplakette zu versehen. „Das historische Siegesdenkmal soll uns dazu anhalten, Nationalismus und Krieg dauerhaft zu überwinden und uns aktiv für Frieden und Völkerverständigung einzusetzen.“ soll es auf der Plakette heißen. In der Pressemitteilung der Stadt steht „Historischer Kontext soll deutlich werden“. Diese historische Einordnung ist sinnvoll und notwendig, überrascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errichtung des Denkmals geschlossen wurde. Noch fragwürdiger und problematischer jedoch ist die Beibehaltung des Namens „Siegesdenkmal“, ja sie schwächt die Intention der historischen Aufarbeitung des Siegesdenkmals durch die geplante Plakette. weiterlesen
Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.
Das Freiburger Siegesdenkmal
Am nördlichen Ende der Freiburger Innenstadt, steht Victoria, herrschaftlich einen Lorbeerkranz über die Truppenteile des werdenden deutschen Kaiserreichs erhebend, als Versinnbildlichung des Sieges des norddeutschen Bundes und seiner süddeutschen Verbündeten über Frankreich im deutsch-französischen Krieg. 2017, beinahe 150 Jahre nach dem deutsch-französischen Krieg wurde das Denkmal wieder aufgestellt. Das erneute Aufstellen scheint auf den ersten Blick ahistorisch und unzeitgemäß. Das Denkmal entstand nur wenige Jahre nach dem Krieg im Zeitalter der nationalistischen Ideologien in Europa, die Europa in den Abgrund des 1. Weltkriegs stürzten. Die nationalistische Idee, die aus dem Denkmal spricht, verlor schließlich nach der Katastrophe des Nazi-Regimes für den Großteil der Gesellschaft seine Anziehung. Daher überrascht die erneute Auf- und Umstellung des Siegesdenkmals im Zuge des Umbaus des Verkehrsknotens. Jedoch wurde im März 2018 vom Stadtrat beschlossen, das Denkmal mit einer Informationsplakette zu versehen. „Das historische Siegesdenkmal soll uns dazu anhalten, Nationalismus und Krieg dauerhaft zu überwinden und uns aktiv für Frieden und Völkerverständigung einzusetzen.“ soll es auf der Plakette heißen. In der Pressemitteilung der Stadt steht „Historischer Kontext soll deutlich werden“. Diese historische Einordnung ist sinnvoll und notwendig, überrascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errichtung des Denkmals geschlossen wurde. Noch fragwürdiger und problematischer jedoch ist die Beibehaltung des Namens „Siegesdenkmal“, ja sie schwächt die Intention der historischen Aufarbeitung des Siegesdenkmals durch die geplante Plakette.
Namensgebungen und Neubenennungen spielten und spielen in der Geschichte und in verschiedenen Gesellschaften eine bedeutende Rolle, denn Namen sind meist auch Programm. Man erinnere sich an die Diskussionen zur Namenswahl des derzeitigen Papstes Franziskus, dem durch die Wahl ein Reformanspruch und Verzicht auf Prunk zugesprochen wurde. Als Akt der Emanzipation nahmen sich viele befreite Sklaven der vereinigten Staaten neue Namen (daher der häufige Name „Freeman“). Der afro-amerikanische Bürgerrechtler Malcolm X änderte gleich zweimal seinen Namen (von „Malcolm Little“ zu „Malcolm X“ zu „El Hajj Malik el-Shabazz“), was jeweils eine Wende im Denken des Bürgerrechtlers ausdrückte. Nicht zu vergessen ist auch die politische Bedeutung der Umbenennung ganzer Städte wie etwa die Umbenennung der Stadt Chemnitz zu Karl-Marx-Stadt in der DDR oder die sowjetische Umbenennung St. Petersburgs zu Leningrad. Ein positives Beispiel setzte die Stadt Freiburg durch die Einberufung einer historischen Kommission zur Prüfung der Straßennamen der Stadt.
Zwar wurde im März 2018 auch beschlossen, den darum liegenden Platz als Europaplatz zu benennen, doch bleibt der Name Siegesdenkmal erhalten. Wie wirkt das Denkmal heute? Das Denkmal blickt den Straßenbahnen und Fußgängern die sich die zentrale Kaiser-Joseph-Straße Richtung Norden bewegen, direkt entgegen und bildet somit den imposanten Abschluss der Kaiser-Joseph-Straße. Es steht somit in direkter Linie Richtung Norden vom Bertoldsbrunnen und nimmt damit eine prominente Stelle im Stadtplan ein. Bis heute wurden noch keine Informationsplaketten aufgestellt. Das Denkmal bleibt aufgrund seiner Größe und Eindrücklichkeit im Gedächtnis. Die fehlenden Plaketten tun ihr Übriges dazu, wobei auch Informationsplaketten vermutlich den allgemeinen Eindruck nicht wesentlich verändern werden, zumal die Haltestelle der öffentlichen Verkehrsmittel ebenfalls den Namen Siegesdenkmal trägt. Eine historisch-kritische Aufarbeitung historischer Denkmäler kann anders und besser aussehen.
Ein mögliches Vorbild für die sinnvolle Umwidmung und Umbenennung eines öffentlichen Denkmals ist das Antikolonialdenkmal in Bremen. Das Denkmal in Form eines aus Backstein gebauten Elefants wurde 1932 als „Reichskolonialehrendenkmal“ eingeweiht und 1990 zum „Antikolonialdenkmal“ umgewidmet. 2009 wurde zusätzlich zu dem allgemein gehaltenen Antikolonialdenkmal ein Erinnerungsort an die Opfer des Völkermords der deutschen Kolonialtruppen an den Herero und Nama im heutigen Namibia geschaffen. Dazu wurden Steine aus der Omahe-Wüste in Namibia, wohin viele Herero vertrieben und gejagt wurden und verdursteten, in unmittelbarer Nähe zum Antikolonialdenkmal aufgestellt. Aus einem ehemaligen national-kolonialistischem Denkmal ist somit ein Erinnerungsort und Denkmal an historische Gräueltaten des deutschen Staates geworden.
Eine ähnliche Umwidmung oder Umformung des Denkmals hätte auch zu Freiburg gepasst und es angesichts der ohnehin stattfindenden Erneuerung des Platzes gab es eine gute Möglichkeit dazu. Kritische Auseinandersetzung ist sinnvoller als bloßes Retuschieren, insofern ist nicht unbedingt etwas gegen die Wiederaufstellung des Denkmals zu sagen, zumal dem Stadtrat angesichts des beinahe einstimmigen Beschlusses zur „Historisierung“ des Denkmals mithilfe der Informationsplakette keine nationalistische Intention zu unterstellen ist. Wohl lassen sich aber in meinen Augen gegen die zu geringe, da nicht einprägsame Aufarbeitung des Denkmals Einwände erheben. Parallel zur Umwidmung des genannten Anti-Kolonialdenkmals in Bremen erscheint mir in Bezug auf das „Siegesdenkmal“ eine Umbenennung in „Anti-Kriegsdenkmal“ oder „Friedensdenkmal“ gerechtfertigt. Möglich wäre auch eine Erweiterung des Denkmals zur positiven Erinnerung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich seit dem 2. Weltkrieg. Ein solcher positiver Pol gegenüber der kriegerischen Vergangenheit wäre zum Beispiel eine Art Erinnerung an den Élysée-Vertrag von 1963 der die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarstaaten besiegelte. In Zeiten, in denen prominente Persönlichkeiten gewählter Parteien eine „180°-Wendung“ der Erinnerungskultur fordern und die Sinnhaftigkeit der Europäischen Union grundsätzlich in Frage gestellt wird, könnte das Denkmal somit als eine eindringlichere Erinnerung an die schwer geschaffenen Grundlagen zum Frieden im westlichen Europa seit Ende des 2. Weltkriegs dienen.
Wegweiser zum Ort der Deportation der Freiburger Juden auf dem Platz der alten Synagoge
Pünktlich zum Ende der Badesaison errichtete die Stadt Freiburg am Platz der alten Synagoge Informationstafeln über dessen Bedeutung früher und heute als Mahnmal. Die Wahl des Platzes ist etwas fragwürdig. Die Tafeln stehen nah genug an der Synagoge, so dass man sich denken könnte, da bestünde ein Zusammenhang, aber auch weit genug weg, um sie zu ignorieren. Aber immerhin stehen sie da und es wird gebeten, nicht im Wasser zu planschen oder zu spielen, da es eine Gedenkstätte sei. Nun kann man sich fragen, warum es überhaupt so lange dauerte bis diese Tafeln aufgestellt wurden. Bei einer logischen Planung des Denkmals hätte auffallen müssen, dass Menschen, besonders im Sommer, sich gerne im Wasser abkühlen. Doch abgesehen von den menschlichen Bedürfnissen, bei denen sich die Menschen stets am nächsten zu sein scheinen, stellt sich die Frage, warum nicht von Anfang an Informationstafeln aufgestellt wurden, die über die schlimmen Ereignisse in Freiburg informieren und erklären, warum dieses Denkmal gebaut wurde. weiterlesen
Wegweiser zum Ort der Deportation der Freiburger Juden auf dem Platz der alten Synagoge
Pünktlich zum Ende der Badesaison errichtete die Stadt Freiburg am Platz der alten Synagoge Informationstafeln über dessen Bedeutung früher und heute als Mahnmal. Die Wahl des Platzes ist etwas fragwürdig. Die Tafeln stehen nah genug an der Synagoge, so dass man sich denken könnte, da bestünde ein Zusammenhang, aber auch weit genug weg, um sie zu ignorieren. Aber immerhin stehen sie da und es wird gebeten, nicht im Wasser zu planschen oder zu spielen, da es eine Gedenkstätte sei. Nun kann man sich fragen, warum es überhaupt so lange dauerte bis diese Tafeln aufgestellt wurden. Bei einer logischen Planung des Denkmals hätte auffallen müssen, dass Menschen, besonders im Sommer, sich gerne im Wasser abkühlen. Doch abgesehen von den menschlichen Bedürfnissen, bei denen sich die Menschen stets am nächsten zu sein scheinen, stellt sich die Frage, warum nicht von Anfang an Informationstafeln aufgestellt wurden, die über die schlimmen Ereignisse in Freiburg informieren und erklären, warum dieses Denkmal gebaut wurde.
Wenn man den Bau in der Retrospektive betrachtet, könnte man der Stadt Freiburg Böses unterstellen und zwar, dass es ihr nicht um einen Erinnerungsort ging, sondern nur darum einen schönen gemütlich Platz mit Wasser zu schaffen. Warum sonst war es wichtiger einen Teil der originalen Steine der Synagoge wegzuschaffen, um das „perfekte“ Bauwerk nicht zu verschandeln? Wäre es nicht eindrücklicher gewesen, die Überreste mit einzubauen? Stehen wir nicht beeindruckter und emotionaler vor einem originalen Bauwerk aus dem beispielsweise 15. Jahrhundert, als vor einem komplett nachgebauten Bauwerk? Viele Kinder haben nackt im Wasser des Denkmals gespielt, geplanscht, Hunde haben mit ihnen da drinnen getollt. Eltern standen im Bikini und Badehose daneben oder auch mit drinnen und haben es genossen, sich in der Sonne abkühlen zu lassen. Manche haben es sogar so weit gebracht, sich in der Synagoge mit Wasserpistolen abzuschießen, quasi wie im Freibad, wobei dies durch den starken Chlorgeruch nur bestärkt wurde.
Warum? Kinder können und sollen überall spielen, sie verstehen nicht, was ein Friedhof ist und wahrscheinlich noch weniger was eine Gedenkstätte ist. Man kann ihnen keinen Vorwurf machen. Doch die Eltern verstehen sehr wohl was das ist. Niemand hätte wohl was dagegen, wenn Kinder ihre Füße in die Synagoge halten oder am Beckenrand etwas mit dem Wasser spielen, aber man kann den Kindern sagen, dass es ein Ort der Besinnung ist und es nicht der richtige Ort ist, eine Strandstimmung zu erzeugen. Freiburg bietet viele Badegelegenheiten, warum muss es dann die Synagoge sein? Warum sucht man sich bei so vielen möglichen Badestätten ausgerechnet das Denkmal der Synagoge aus? Ist es Ignoranz? Die menschliche Unachtsamkeit, der die Menschen dazu bewegt alles zu machen, Hauptsache ihnen geht es in diesem Moment gut? Fehlende Aufklärung? Wenn man ehrlich ist, ist es wohl von allem etwas. Doch zumindest gegen die fehlende Aufklärung kann und muss etwas getan werden und sie beeinflusst vielleicht zumindest ein wenig die anderen Aspekte.
Doch leider kam die Aufklärung zu spät und auch beim Straßenschild nach „Gurs“, einer kleinen Stadt in Frankreich im DépartementPyrénées-Atlantiques, steht keinerlei Information, warum dieses Schild da steht. Mit diesem Artikel soll zumindest ein kleiner Beitrag zur Aufklärung geleistet werden und der Wunsch nach einer weiteren Beschilderung direkt unter dem Verkehrsschild geäußert werden.
Am Dienstag, den 22. Oktober 1940 wurden fast alle Juden Badens, der Pfalz, und des Saarlandes durch den badischen Gauleiter Robert Wagner und Josef Bürckel, den Gauleiter von Saarpfalz, aus ihrer Heimat gerissen. Die „Nichtarier“ wurden in das unbesetzte Frankreich gebracht. Der 22. Oktober 1940 entsprach im jüdischen Kalender dem 20. Tishri (תשרי) des Jahres 5701, dem letzten Tag des Laubhüttenfestes. Dieses Fest erinnert an den Aufenthalt in der Wüste, während die Israeliten den Weg aus Ägypten nach Kanaan gehen mussten. Der letzte Tag des Sukott (סוכות) (=Laubhütten)- Festes ist eigentlich ein freudiger Tag, da mit ihm der Lese-Neubeginn eines Thora-Abschnittes beginnt. In diesem Jahr wurde den Juden die Freude aber genommen.
Der Auftrag für die Deportation wurde bereits am 15. Oktober 1940 beschlossen und wurde im Geheimen vorbereitet. Am Morgen des 22. Oktobers war es dann soweit und Polizeibeamte teilten 1993 Juden mit, dass sie festgenommen seien, um abgeschoben zu werden und zwei Stunden haben, um sich darauf vorzubereiten. Für die betroffenen Juden kam dies also ziemlich überraschend und ohne jegliche Vorwarnung. Lilli Reckendorf gibt durch einen Bericht Auskunft über den Eindruck des Geschehens im Stühlinger:
„Der Saal füllte sich von Stunde zu Stunde. Es kamen Lörracher, Sulzburger, Eichstetter, Breisacher etc. … Die sehr bunt zusammengewürfelte Gesellschaft benahm sich sehr still, fast vornehm. Man muß sich vergegenwärtigen, dass Bauern, Viehhändler, Kaufleute, Bankiers, Gelehrte, Beamte, Gesunde, Kranke, Blindem Taube, Irrsinnige und Verblödete waren. Alle waren sie auf einen Schlag heimatlos, ohne mehr Geld als 100 M, ohne mehr Gut als was sie zu tragen oder überhaupt in der Überstürzung einzupacken vermochten. Und das war bei manchen sehr wenig. Es waren mehr Alte als Junge, mehr Frauen als Männer“.1
Die Juden sollten nach Frankreich gebracht werden. Die französische Regierung versuchte vergebens die deutschen Staatsbürger nach Deutschland zurückzuführen. So wurden sie ins Internierungslager Gurs gebracht, wo ungefähr ein Drittel von ihnen verstarb. Ein Arzt (Ludwig Mann) beschreibt die Situation im Lager sehr anschaulich: „Die Baracken waren kalt, feucht zugig und schmutzig, die Strohsäcke lagen auf den schiefen Bretterböden, schlecht gefüllt mit muffigen Stroh. Es gab Wanzen und Läuse, Ratten und Flöhe; aber kein Essgeschirr und kein Trinkgefäß. Alles Gepäck, die 20 kg, die pro Person erlaubt waren, war von dem Gepäckcamions auf die Lagerstraße geworfen worden und lag in wüstem Durcheinander in Dreck und Regen. Nur kleine Dinge hatte jeder bei sich, vielleicht einen Becher, ein Messer, mit denen sich mehrere behelfen mussten. Wir waren vollkommen benommen vom Schock der plötzlichen Deportation aus der Heimat, trotz der Erbarmungslosigkeit des Hitlertums eben doch die Heimat war, in der wir aufgewachsen waren und viele Generationen vor uns ihr Leben verbracht hatten. Viele begriffen immer noch nicht, was mit ihnen geschehen war. Man saß auf den Strohsäcken herum, raus konnte man nicht. Es regnete und regnete. Der Boden war verschlammt, man rutschte aus und sank ein. Die Gräben waren verstopft und das Wasser lief über (…)“.2
Schlimmer noch als die Beschreibung dieses trostlosen Ortes ist das Wissen, wie die Menschen dort lebten oder vielmehr zu überleben versuchen mussten. „Die Nahrung, mit Morgengetränk (Kaffee), Mittags- und Abendssuppe in den Ilots [Inselchen, Einteilung des Lagers in Blöcke, Anm. d. Verf.] gekocht und durch 250g Brot auf durchschnittlich 1000 Kalorien gebracht, war ganz unzureichend. Hunger, die völlig ungenügende Hygiene – mehrfache Ruhrepidimien, Läuse und anderes Ungeziefer.“.3 Diese mangelnde Hygiene und ärztliche Versorgung sorgte für eine enorm hohe Sterblichkeitsrate. Im Winter 1940/41 betrug sie bis zu 500 Tote.
Else Liefmann, Kinderärztin und Pädagogin aus Freiburg schrieb, nachdem sie nach Gurs deportiert wurde: „Wir haben täglich 10-15 Tote, meist alte Leute, aber auch ab und zu jüngere und Kinder. Das ist dann besonderes traurig. Aber der Dreck hier ist unbeschreiblich, dass, obgleich in meiner Infirmerie (Krankenstation) die Schwestern hervorragend arbeiten, dagegen kaum anzugehen ist. Außerdem fehlen uns ja so gut wie alle Hilfsmittel und die Wirkung ist minimal. Der Vertreter des Roten Kreuzes wird hoffentlich berichten (…).“.4
Das ist nur ein kleiner Einblick in die grausame Geschichte der Oktoberdeportationen und dieser wird den meisten Lesern schon genügen.
Selbstverständlich wird in Freiburg diesem Tag gedacht, wie durch den Mantel auf der Wiwilíbrücke (blauen Brücke) oder auch durch die Synagoge. Doch solche Zeichen brauchen Erklärungen und Aufklärung. Jetzt stehen endlich Schilder mit Informationen bei der Synagoge und man kann nur hoffen, dass die Menschen im Winter nicht auf die Idee kommen, daraus eine Schlittschuhbahn zu machen oder im nächsten Sommer sich wieder mit Pistolen spielerisch abzuschießen, weil das so viel Spaß macht. Auch wäre es mehr als erstrebenswert eine Information an das Verkehrsschild nach Gurs zu hängen, damit man an jeder möglichen Stelle daran erinnert wird, was passiert ist. Das Schild alleine klärt nicht auf. Wissen, Aufklärung und Bildung sind unabdingbar, um den Menschen zu zeigen, was passiert ist und was sich auf keinen Fall wiederholen darf. Gerade in einer so aufgeheizten Stimmung muss man mit Bildung gegen rechte Stimmen ankämpfen, Vorurteile beseitigen und Vertrauen schaffen. Wenn die Menschen wirklich verstehen, was damals passiert ist, kann es nicht noch einmal geschehen, doch dafür muss Aufklärung betrieben werden.
Literatur: 1Vgl. Bräunche, Otto/Steck, Volker. Geschichte und Erinnerungskultur. 22. Oktober 1940 – Die Deportation der badischen und saarpfälzischen Juden in das Lager Gurs, hrsg. vom Stadtarchiv Karlsruhe, Karlsruhe 2010, S. 19. 2Vgl. Gerlach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hellichten Tag!“. Die Deportation der badischen, pfälzer und saarländischen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stuttgart 2000, S. 16. 3 Vgl. Krehbiel-Darmstädter, Maria, Briefe aus Gurs und Limonest 1940-1943, hrsg. von Walter Schmitthenner Heidelberg 1970, S. 21. 4Vgl. Gerlach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hellichten Tag!“. Die Deportation der badischen, pfälzer und saarländischen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stuttgart 2000, S. 17.
Ein Redaktionsmitglied des Stühlinger Magazins wird als Ex-Ossi oft damit konfrontiert, was denn in seiner alten Heimat los ist. Zum Tag der deutschen Einheit hat er daher einen längeren Artikel geschrieben, durch den vielleicht klar wird, warum es solche Unterschiede in den Ansichten und Denkweisen zwischen Ost- und Westdeutschen gibt.