40 Jahre Stühlinger Magazin — Einblicke in 40 Jahre Stadtteilgeschichte

2023 hat das Stüh­lin­ger Maga­zin sein 40jähriges Jubi­lä­um gefei­ert. Wir haben in zwei Pla­ka­ten die Titel­sei­ten aller Aus­ga­ben bis 2023 zusam­men­ge­stellt. Die ers­ten 25 Jah­re (1983−2008) und die nächs­ten 15 Jah­re (2008−2023). 

An der Zusam­men­stel­lung lässt sich schön die Ent­wick­lung des Lay­outs durch tech­ni­schen Fort­schritt nach­ver­fol­gen. Ange­fan­gen hat alles 1983 mit Schwarz-Weiß-Druck von fast aus­schließ­lich Text, spä­ter kam ein eige­nes Logo dazu, das Titel­blatt füll­te sich in den 2000ern mit Far­be und erhielt schließ­lich ein Cover-Bild.

Im ver­gan­ge­nen Jahr gab es eine vier­tei­le Serie zur Geschich­te des Maga­zins und der Stüh­lin­ger SPD in den letz­ten 40 Jah­ren. Jede Aus­ga­be wid­me­te sich einem Jahr­zehnt. Die Tex­te geben einen Ein­blick in das rege Leben und die gro­ßen Ver­än­de­run­gen im Stüh­lin­ger der letz­ten Jahr­zehn­te und zei­gen auch auf, wel­che Rol­le die Stüh­lin­ger SPD dabei gespielt hat. Ein paar Bei­spie­le aus der Dek­da 1983–1993: Der Gedenk­stein am Hil­da­spiel­platz, das Ent­ste­hen des E‑Werks, der Stüh­lin­ger Gewer­be­hof; die Stüh­lin­ger SPD hat war in allen Fäl­len wesent­lich bei der Eta­blie­rung betei­ligt, die nun zum Inven­tar des Stadt­teils gehören.

In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten folg­ten unter ande­rem das Esch­holz­stra­ßen­fest von 2004, , “Besit­zung” des Stüh­lin­gers (Außen­be­wir­tung), Milieu­schutz für den Stüh­lin­ger und die Urba­ni­sie­rung des Esch­holz­park. Die Erin­ne­rung an die letz­ten vier Jahr­zehn­te lässt sich hier in der der Zusam­men­stel­lung der Bei­trä­ge des letz­ten Jah­res nach­le­sen. Viel Freu­de beim Lesen!

Jugendzentrum Letz Fetz: Vernissage am Freitag 13.03.2020

Ent­stan­den ist die Ver­nis­sa­ge aus einem Pro­jekt der Mäd­chen­grup­pe II her­aus, die sich ein Jahr mit dem The­ma Selbst­dar­stel­lung und krea­ti­ve Aus­druck­mög­lich­kei­ten beschäf­tigt hat. Ent­stan­den sind Pho­to­gra­phien und Post­kar­ten. Die Grup­pe woll­te die Ergeb­nis­se einer brei­te­ren Öffent­lich­keit vor­stel­len und kam so auf die Idee einer Vernissage.

Bei die­ser Ver­nis­sa­ge besteht die Mög­lich­keit, Bil­der und Post­kar­ten käuf­lich zu erwer­ben. Der Erlös geht zu Guns­ten der Mädchengruppe.

Über einen Besuch wür­de sich die Mäd­chen­grup­pe sehr freuen.

Spätschicht – Freiräume im Stühlinger schaffen

Ste­ve Wolff-Vor­beck vom Stüh­lin­ger Maga­zin beglei­tet eine Nacht­schicht im ¨Bis Späti¨

Ziem­lich genau drei Mona­te ist es nun her, dass im Stüh­lin­ger der neue Spät­ver­kauf “Bis Späti” im ehe­ma­li­gen Joseph-Stüb­le auf­ge­macht hat. Seit­her erhitzt das The­ma die Gemü­ter in der Stadt und vor allem hier im Stadtteil.
Anwohner*innen, die nachts ihre wohl­ver­dien­te Ruhe haben wol­len auf der einen, und meist jun­ge Nachtschwärmer*innen, die nach nächt­li­chen Frei­räu­men suchen, die es in Frei­burg lei­der viel zu wenig gibt, auf der ande­ren Sei­te. Die­ser besag­te Frei­raum wur­de in den letz­ten Wochen und Mona­ten am knapp hun­dert Meter ent­fern­ten Leder­le-Platz gefun­den. In hei­ßen Som­mer­näch­ten hiel­ten sich dort teils an die 100 Men­schen auf — die Situa­ti­on der Anwohner*innen wur­de uner­träg­lich, die Stadt schal­te­te sich ein. Seit­her wird der Platz am Wochen­en­de teils mehr­fach vom Ord­nungs­amt geräumt.
Eine sol­che Situa­ti­on ver­langt nach Kom­pro­mis­sen und Kon­zep­ten und für mich ist klar: es braucht hier Lösun­gen. Lösun­gen, die einer­seits die Situa­ti­on der Anwohner*innen und Gastronom*innen am Leder­le-Platz ver­bes­sert, ande­rer­seits aber neue attrak­ti­ve Frei­räu­me im Stüh­lin­ger schafft, um gera­de jun­gen Men­schen ein Nacht­le­ben zu ermöglichen.
In der letz­ten Zeit sind dies bezüg­lich eini­ge Lösung­vor­schlä­ge aufgetaucht.
wei­ter­le­sen

Eschholzpark nutzen für das Sommer-Straßenleben der Stadt

Kon­struk­ti­ver Vor­schlag für ein ver­träg­li­ches Mit­ein­an­der

nördlicher Eschholzpark
nörd­li­cher Eschholzpark

Die Kon­tro­ver­se um den „Spät­ver­kauf“ an der Esch­holzstra­ße im Stüh­lin­ger hat ein­mal mehr gezeigt, dass es an Frei­räu­men für jün­ge­re Menschen in der Stadt fehlt. Frei­burg lebt von sei­ner Uni­ver­si­tät und braucht daher auch ein attrak­ti­ves, urba­nes Leben. Die Stu­den­tIn­nen und Ange­stell­ten der Univer­si­tät machen Frei­burg erst zu dem, was es als Stadt ist – klein und gemüt­lich einer­seits, aber auch kul­tu­rell aktiv und leben­dig. Dass sich im Som­mer das Leben auch auf der Stra­ße abspielt, ist dabei eine Selbstverständlichkeit.

In einer Stadt gilt es stets aufs Neue, die ver­schie­de­nen Inter­es­sen unter einen Hut zu brin­gen. Unser Ansatz ist daher, nichts anzu­pran­gern, son­dern nach Lösun­gen zu suchen, die mög­lichst vie­len gerecht werden.

wei­ter­le­sen Esch­holz­park nut­zen für das Som­mer-Stra­ßen­le­ben der Stadt

Ist das Siegesdenkmal ein Zeichen von Freundschaft?

Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.

Das Frei­bur­ger Siegesdenkmal

Am nörd­li­chen Ende der Frei­bur­ger Innen­stadt, steht Vic­to­ria, herr­schaft­lich einen Lor­beer­kranz über die Trup­pen­tei­le des wer­den­den deut­schen Kai­ser­reichs erhe­bend, als Ver­sinn­bild­li­chung des Sie­ges des nord­deut­schen Bun­des und sei­ner süd­deut­schen Ver­bün­de­ten über Frank­reich im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg. 2017, bei­na­he 150 Jah­re nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg wur­de das Denk­mal wie­der auf­ge­stellt. Das erneu­te Auf­stel­len scheint auf den ers­ten Blick ahis­to­risch und unzeit­ge­mäß. Das Denk­mal ent­stand nur weni­ge Jah­re nach dem Krieg im Zeit­al­ter der natio­na­lis­ti­schen Ideo­lo­gien in Euro­pa, die Euro­pa in den Abgrund des 1. Welt­kriegs stürz­ten. Die natio­na­lis­ti­sche Idee, die aus dem Denk­mal spricht, ver­lor schließ­lich nach der Kata­stro­phe des Nazi-Regimes für den Groß­teil der Gesell­schaft sei­ne Anzie­hung. Daher über­rascht die erneu­te Auf- und Umstel­lung des Sie­ges­denk­mals im Zuge des Umbaus des Ver­kehrs­kno­tens. Jedoch wur­de im März 2018 vom Stadt­rat beschlos­sen, das Denk­mal mit einer Infor­ma­ti­ons­pla­ket­te zu ver­se­hen. „Das his­to­ri­sche Sie­ges­denk­mal soll uns dazu anhal­ten, Natio­na­lis­mus und Krieg dau­er­haft zu über­win­den und uns aktiv für Frie­den und Völ­ker­ver­stän­di­gung ein­zu­set­zen.“ soll es auf  der Pla­ket­te hei­ßen. In der Pres­se­mit­tei­lung der Stadt steht „His­to­ri­scher Kon­text soll deut­lich wer­den“. Die­se his­to­ri­sche Ein­ord­nung ist sinn­voll und not­wen­dig, über­rascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errich­tung des Denk­mals geschlos­sen wur­de. Noch frag­wür­di­ger und pro­ble­ma­ti­scher jedoch ist die Bei­be­hal­tung des Namens „Sie­ges­denk­mal“, ja sie schwächt die Inten­ti­on der his­to­ri­schen Auf­ar­bei­tung des Sie­ges­denk­mals durch die geplan­te Plakette.
wei­ter­le­sen

Ist das Siegesdenkmal ein Zeichen von Freundschaft?

Warum die geplanten Informationsplaketten am Siegesdenkmal nicht ausreichen.

Das Frei­bur­ger Siegesdenkmal

Am nörd­li­chen Ende der Frei­bur­ger Innen­stadt, steht Vic­to­ria, herr­schaft­lich einen Lor­beer­kranz über die Trup­pen­tei­le des wer­den­den deut­schen Kai­ser­reichs erhe­bend, als Ver­sinn­bild­li­chung des Sie­ges des nord­deut­schen Bun­des und sei­ner süd­deut­schen Ver­bün­de­ten über Frank­reich im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg. 2017, bei­na­he 150 Jah­re nach dem deutsch-fran­zö­si­schen Krieg wur­de das Denk­mal wie­der auf­ge­stellt. Das erneu­te Auf­stel­len scheint auf den ers­ten Blick ahis­to­risch und unzeit­ge­mäß. Das Denk­mal ent­stand nur weni­ge Jah­re nach dem Krieg im Zeit­al­ter der natio­na­lis­ti­schen Ideo­lo­gien in Euro­pa, die Euro­pa in den Abgrund des 1. Welt­kriegs stürz­ten. Die natio­na­lis­ti­sche Idee, die aus dem Denk­mal spricht, ver­lor schließ­lich nach der Kata­stro­phe des Nazi-Regimes für den Groß­teil der Gesell­schaft sei­ne Anzie­hung. Daher über­rascht die erneu­te Auf- und Umstel­lung des Sie­ges­denk­mals im Zuge des Umbaus des Ver­kehrs­kno­tens. Jedoch wur­de im März 2018 vom Stadt­rat beschlos­sen, das Denk­mal mit einer Infor­ma­ti­ons­pla­ket­te zu ver­se­hen. „Das his­to­ri­sche Sie­ges­denk­mal soll uns dazu anhal­ten, Natio­na­lis­mus und Krieg dau­er­haft zu über­win­den und uns aktiv für Frie­den und Völ­ker­ver­stän­di­gung ein­zu­set­zen.“ soll es auf  der Pla­ket­te hei­ßen. In der Pres­se­mit­tei­lung der Stadt steht „His­to­ri­scher Kon­text soll deut­lich wer­den“. Die­se his­to­ri­sche Ein­ord­nung ist sinn­voll und not­wen­dig, über­rascht zugleich vor allem jedoch dadurch, dass der Beschluss erst nach der Neu-Errich­tung des Denk­mals geschlos­sen wur­de. Noch frag­wür­di­ger und pro­ble­ma­ti­scher jedoch ist die Bei­be­hal­tung des Namens „Sie­ges­denk­mal“, ja sie schwächt die Inten­ti­on der his­to­ri­schen Auf­ar­bei­tung des Sie­ges­denk­mals durch die geplan­te Plakette.
Namens­ge­bun­gen und Neu­be­nen­nun­gen spiel­ten und spie­len in der Geschich­te und in ver­schie­de­nen Gesell­schaf­ten eine bedeu­ten­de Rol­le, denn Namen sind meist auch Pro­gramm. Man erin­ne­re sich an die Dis­kus­sio­nen zur Namens­wahl des der­zei­ti­gen Paps­tes Fran­zis­kus, dem durch die Wahl ein Reform­an­spruch und Ver­zicht auf Prunk zuge­spro­chen wur­de. Als Akt der Eman­zi­pa­ti­on nah­men sich vie­le befrei­te Skla­ven der ver­ei­nig­ten Staa­ten neue Namen (daher der häu­fi­ge Name „Free­man“). Der afro-ame­ri­ka­ni­sche Bür­ger­recht­ler Mal­colm X änder­te gleich zwei­mal sei­nen Namen (von „Mal­colm Litt­le“ zu „Mal­colm X“ zu „El Hajj Malik el-Shabazz“), was jeweils eine Wen­de im Den­ken des Bür­ger­recht­lers aus­drück­te. Nicht zu ver­ges­sen ist auch die poli­ti­sche Bedeu­tung der Umbe­nen­nung gan­zer Städ­te wie etwa die Umbe­nen­nung der Stadt Chem­nitz zu Karl-Marx-Stadt in der DDR oder die sowje­ti­sche Umbe­nen­nung St. Peters­burgs zu Lenin­grad. Ein posi­ti­ves Bei­spiel setz­te die Stadt Frei­burg durch die Ein­be­ru­fung einer his­to­ri­schen Kom­mis­si­on zur Prü­fung der Stra­ßen­na­men der Stadt.
Zwar wur­de im März 2018 auch beschlos­sen, den dar­um lie­gen­den Platz als Euro­pa­platz zu benen­nen, doch bleibt der Name Sie­ges­denk­mal erhal­ten. Wie wirkt das Denk­mal heu­te? Das Denk­mal blickt den Stra­ßen­bah­nen und Fuß­gän­gern die sich die zen­tra­le Kai­ser-Joseph-Stra­ße Rich­tung Nor­den bewe­gen, direkt ent­ge­gen und bil­det somit den impo­san­ten Abschluss der Kai­ser-Joseph-Stra­ße. Es steht somit in direk­ter Linie Rich­tung Nor­den vom Ber­tolds­brun­nen und nimmt damit eine pro­mi­nen­te Stel­le im Stadt­plan ein. Bis heu­te wur­den noch kei­ne Infor­ma­ti­ons­pla­ket­ten auf­ge­stellt. Das Denk­mal bleibt auf­grund sei­ner Grö­ße und Ein­drück­lich­keit im Gedächt­nis. Die feh­len­den Pla­ket­ten tun ihr Übri­ges dazu, wobei auch Infor­ma­ti­ons­pla­ket­ten ver­mut­lich den all­ge­mei­nen Ein­druck nicht wesent­lich ver­än­dern wer­den, zumal die Hal­te­stel­le der öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel eben­falls den Namen Sie­ges­denk­mal trägt. Eine his­to­risch-kri­ti­sche Auf­ar­bei­tung his­to­ri­scher Denk­mä­ler kann anders und bes­ser aussehen.
Ein mög­li­ches Vor­bild für die sinn­vol­le Umwid­mung und Umbe­nen­nung eines öffent­li­chen Denk­mals ist das Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal in Bre­men. Das Denk­mal in Form eines aus Back­stein gebau­ten Ele­fants wur­de 1932 als „Reichs­ko­lo­nia­leh­ren­denk­mal“ ein­ge­weiht und 1990 zum „Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal“ umge­wid­met. 2009 wur­de zusätz­lich zu dem all­ge­mein gehal­te­nen Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal ein Erin­ne­rungs­ort an die Opfer des Völ­ker­mords der deut­schen Kolo­ni­al­trup­pen an den Here­ro und Nama im heu­ti­gen Nami­bia geschaf­fen. Dazu wur­den Stei­ne aus der Oma­he-Wüs­te in Nami­bia, wohin vie­le Here­ro ver­trie­ben und gejagt wur­den und ver­durs­te­ten, in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Anti­ko­lo­ni­al­denk­mal auf­ge­stellt. Aus einem ehe­ma­li­gen natio­nal-kolo­nia­lis­ti­schem Denk­mal ist somit ein Erin­ne­rungs­ort und Denk­mal an his­to­ri­sche Gräu­el­ta­ten des deut­schen Staa­tes geworden.
Eine ähn­li­che Umwid­mung oder Umfor­mung des Denk­mals hät­te auch zu Frei­burg gepasst und es ange­sichts der ohne­hin statt­fin­den­den Erneue­rung des Plat­zes gab es eine gute Mög­lich­keit dazu. Kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung ist sinn­vol­ler als blo­ßes Retu­schie­ren, inso­fern ist nicht unbe­dingt etwas gegen die Wie­der­auf­stel­lung des Denk­mals zu sagen, zumal dem Stadt­rat ange­sichts des bei­na­he ein­stim­mi­gen Beschlus­ses zur „His­to­ri­sie­rung“ des Denk­mals mit­hil­fe der Infor­ma­ti­ons­pla­ket­te kei­ne natio­na­lis­ti­sche Inten­ti­on zu unter­stel­len ist. Wohl las­sen sich aber in mei­nen Augen gegen die zu gerin­ge, da nicht ein­präg­sa­me Auf­ar­bei­tung des Denk­mals Ein­wän­de erhe­ben. Par­al­lel zur Umwid­mung des genann­ten Anti-Kolo­ni­al­denk­mals in Bre­men erscheint mir in Bezug auf das „Sie­ges­denk­mal“ eine Umbe­nen­nung in „Anti-Kriegs­denk­mal“ oder „Frie­dens­denk­mal“ gerecht­fer­tigt. Mög­lich wäre auch eine Erwei­te­rung des Denk­mals zur posi­ti­ven Erin­ne­rung der freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich seit dem 2. Welt­krieg. Ein sol­cher posi­ti­ver Pol gegen­über der krie­ge­ri­schen Ver­gan­gen­heit wäre zum Bei­spiel eine Art Erin­ne­rung an den Ély­sée-Ver­trag von 1963 der die freund­schaft­li­chen Bezie­hun­gen zwi­schen den bei­den Nach­bar­staa­ten besie­gel­te. In Zei­ten, in denen pro­mi­nen­te Per­sön­lich­kei­ten gewähl­ter Par­tei­en eine „180°-Wendung“ der Erin­ne­rungs­kul­tur for­dern und die Sinn­haf­tig­keit der Euro­päi­schen Uni­on grund­sätz­lich in Fra­ge gestellt wird, könn­te das Denk­mal somit als eine ein­dring­li­che­re Erin­ne­rung an die schwer geschaf­fe­nen Grund­la­gen zum Frie­den im west­li­chen Euro­pa seit Ende des 2. Welt­kriegs dienen.

Missliche Aufklärung der jüdischen Geschichte Freiburgs

Weg­wei­ser zum Ort der Depor­ta­ti­on der Frei­bur­ger Juden auf dem Platz der alten Synagoge

Pünkt­lich zum Ende der Bade­sai­son errich­te­te die Stadt Frei­burg am Platz der alten Syn­ago­ge Infor­ma­ti­ons­ta­feln über des­sen Bedeu­tung frü­her und heu­te als Mahn­mal. Die Wahl des Plat­zes ist etwas frag­wür­dig. Die Tafeln ste­hen nah genug an der Syn­ago­ge, so dass man sich den­ken könn­te, da bestün­de ein Zusam­men­hang, aber auch weit genug weg, um sie zu igno­rie­ren. Aber immer­hin ste­hen sie da und es wird gebe­ten, nicht im Was­ser zu plan­schen oder zu spie­len, da es eine Gedenk­stät­te sei. Nun kann man sich fra­gen, war­um es über­haupt so lan­ge dau­er­te bis die­se Tafeln auf­ge­stellt wur­den. Bei einer logi­schen Pla­nung des Denk­mals hät­te auf­fal­len müs­sen, dass Men­schen, beson­ders im Som­mer, sich ger­ne im Was­ser abküh­len. Doch abge­se­hen von den mensch­li­chen Bedürf­nis­sen, bei denen sich die Men­schen stets am nächs­ten zu sein schei­nen, stellt sich die Fra­ge, war­um nicht von Anfang an Infor­ma­ti­ons­ta­feln auf­ge­stellt wur­den, die über die schlim­men Ereig­nis­se in Frei­burg infor­mie­ren und erklä­ren, war­um die­ses Denk­mal gebaut wurde.
wei­ter­le­sen

Verstehen braucht Information — Zur misslichen Aufklärung der jüdischen Geschichte Freiburgs im Nationalsozialismus

Weg­wei­ser zum Ort der Depor­ta­ti­on der Frei­bur­ger Juden auf dem Platz der alten Synagoge

Pünkt­lich zum Ende der Bade­sai­son errich­te­te die Stadt Frei­burg am Platz der alten Syn­ago­ge Infor­ma­ti­ons­ta­feln über des­sen Bedeu­tung frü­her und heu­te als Mahn­mal. Die Wahl des Plat­zes ist etwas frag­wür­dig. Die Tafeln ste­hen nah genug an der Syn­ago­ge, so dass man sich den­ken könn­te, da bestün­de ein Zusam­men­hang, aber auch weit genug weg, um sie zu igno­rie­ren. Aber immer­hin ste­hen sie da und es wird gebe­ten, nicht im Was­ser zu plan­schen oder zu spie­len, da es eine Gedenk­stät­te sei. Nun kann man sich fra­gen, war­um es über­haupt so lan­ge dau­er­te bis die­se Tafeln auf­ge­stellt wur­den. Bei einer logi­schen Pla­nung des Denk­mals hät­te auf­fal­len müs­sen, dass Men­schen, beson­ders im Som­mer, sich ger­ne im Was­ser abküh­len. Doch abge­se­hen von den mensch­li­chen Bedürf­nis­sen, bei denen sich die Men­schen stets am nächs­ten zu sein schei­nen, stellt sich die Fra­ge, war­um nicht von Anfang an Infor­ma­ti­ons­ta­feln auf­ge­stellt wur­den, die über die schlim­men Ereig­nis­se in Frei­burg infor­mie­ren und erklä­ren, war­um die­ses Denk­mal gebaut wurde.

Wenn man den Bau in der Retro­spek­ti­ve betrach­tet, könn­te man der Stadt Frei­burg Böses unter­stel­len und zwar, dass es ihr nicht um einen Erin­ne­rungs­ort ging, son­dern nur dar­um einen schö­nen gemüt­lich Platz mit Was­ser zu schaf­fen. War­um sonst war es wich­ti­ger einen Teil der ori­gi­na­len Stei­ne der Syn­ago­ge weg­zu­schaf­fen, um das „per­fek­te“ Bau­werk nicht zu ver­schan­deln? Wäre es nicht ein­drück­li­cher gewe­sen, die Über­res­te mit ein­zu­bau­en? Ste­hen wir nicht beein­druck­ter und emo­tio­na­ler vor einem ori­gi­na­len Bau­werk aus dem bei­spiels­wei­se 15. Jahr­hun­dert, als vor einem kom­plett nach­ge­bau­ten Bau­werk? Vie­le Kin­der haben nackt im Was­ser des Denk­mals gespielt, geplanscht, Hun­de haben mit ihnen da drin­nen getollt. Eltern stan­den im Biki­ni und Bade­ho­se dane­ben oder auch mit drin­nen und haben es genos­sen, sich in der Son­ne abküh­len zu las­sen. Man­che haben es sogar so weit gebracht, sich in der Syn­ago­ge mit Was­ser­pis­to­len abzu­schie­ßen, qua­si wie im Frei­bad, wobei dies durch den star­ken Chlor­ge­ruch nur bestärkt wurde.

War­um? Kin­der kön­nen und sol­len über­all spie­len, sie ver­ste­hen nicht, was ein Fried­hof ist und wahr­schein­lich noch weni­ger was eine Gedenk­stät­te ist. Man kann ihnen kei­nen Vor­wurf machen. Doch die Eltern ver­ste­hen sehr wohl was das ist. Nie­mand hät­te wohl was dage­gen, wenn Kin­der ihre Füße in die Syn­ago­ge hal­ten oder am Becken­rand etwas mit dem Was­ser spie­len, aber man kann den Kin­dern sagen, dass es ein Ort der Besin­nung ist und es nicht der rich­ti­ge Ort ist, eine Strand­stim­mung zu erzeu­gen. Frei­burg bie­tet vie­le Bade­ge­le­gen­hei­ten, war­um muss es dann die Syn­ago­ge sein? War­um sucht man sich bei so vie­len mög­li­chen Bade­s­tät­ten aus­ge­rech­net das Denk­mal der Syn­ago­ge aus? Ist es Igno­ranz? Die mensch­li­che Unacht­sam­keit, der die Men­schen dazu bewegt alles zu machen, Haupt­sa­che ihnen geht es in die­sem Moment gut? Feh­len­de Auf­klä­rung? Wenn man ehr­lich ist, ist es wohl von allem etwas. Doch zumin­dest gegen die feh­len­de Auf­klä­rung kann und muss etwas getan wer­den und sie beein­flusst viel­leicht zumin­dest ein wenig die ande­ren Aspekte.

Doch lei­der kam die Auf­klä­rung zu spät und auch beim Stra­ßen­schild nach „Gurs“, einer klei­nen Stadt in Frank­reich im Dépar­te­ment Pyré­nées-Atlan­ti­ques, steht kei­ner­lei Infor­ma­ti­on, war­um die­ses Schild da steht. Mit die­sem Arti­kel soll zumin­dest ein klei­ner Bei­trag zur Auf­klä­rung geleis­tet wer­den und der Wunsch nach einer wei­te­ren Beschil­de­rung direkt unter dem Ver­kehrs­schild geäu­ßert werden.

Am Diens­tag, den 22. Okto­ber 1940 wur­den fast alle Juden Badens, der Pfalz, und des Saar­lan­des durch den badi­schen Gau­lei­ter Robert Wag­ner und Josef Bürckel, den Gau­lei­ter von Saar­pfalz, aus ihrer Hei­mat geris­sen. Die „Nicht­ari­er“ wur­den in das unbe­setz­te Frank­reich gebracht. Der 22. Okto­ber 1940 ent­sprach im jüdi­schen Kalen­der dem 20. Tishri (תשרי) des Jah­res 5701, dem letz­ten Tag des Laub­hüt­ten­fes­tes. Die­ses Fest erin­nert an den Auf­ent­halt in der Wüs­te, wäh­rend die Israe­li­ten den Weg aus Ägyp­ten nach Kana­an gehen muss­ten. Der letz­te Tag des Sukott (סוכות) (=Laub­hüt­ten)- Fes­tes ist eigent­lich ein freu­di­ger Tag, da mit ihm der Lese-Neu­be­ginn eines Tho­ra-Abschnit­tes beginnt. In die­sem Jahr wur­de den Juden die Freu­de aber genommen.

Der Auf­trag für die Depor­ta­ti­on wur­de bereits am 15. Okto­ber 1940 beschlos­sen und wur­de im Gehei­men vor­be­rei­tet. Am Mor­gen des 22. Okto­bers war es dann soweit und Poli­zei­be­am­te teil­ten 1993 Juden mit, dass sie fest­ge­nom­men sei­en, um abge­scho­ben zu wer­den und zwei Stun­den haben, um sich dar­auf vor­zu­be­rei­ten. Für die betrof­fe­nen Juden kam dies also ziem­lich über­ra­schend und ohne jeg­li­che Vor­war­nung. Lil­li Recken­dorf gibt durch einen Bericht Aus­kunft über den Ein­druck des Gesche­hens im Stühlinger:

Der Saal füll­te sich von Stun­de zu Stun­de. Es kamen Lör­ra­cher, Sulz­bur­ger, Eich­stet­ter, Brei­sa­cher etc. … Die sehr bunt zusam­men­ge­wür­fel­te Gesell­schaft benahm sich sehr still, fast vor­nehm. Man muß sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass Bau­ern, Vieh­händ­ler, Kauf­leu­te, Ban­kiers, Gelehr­te, Beam­te, Gesun­de, Kran­ke, Blin­dem Tau­be, Irr­sin­ni­ge und Ver­blö­de­te waren. Alle waren sie auf einen Schlag hei­mat­los, ohne mehr Geld als 100 M, ohne mehr Gut als was sie zu tra­gen oder über­haupt in der Über­stür­zung ein­zu­pa­cken ver­moch­ten. Und das war bei man­chen sehr wenig. Es waren mehr Alte als Jun­ge, mehr Frau­en als Män­ner“.1

Die Juden soll­ten nach Frank­reich gebracht wer­den. Die fran­zö­si­sche Regie­rung ver­such­te ver­ge­bens die deut­schen Staats­bür­ger nach Deutsch­land zurück­zu­füh­ren. So wur­den sie ins Inter­nie­rungs­la­ger Gurs gebracht, wo unge­fähr ein Drit­tel von ihnen ver­starb. Ein Arzt (Lud­wig Mann) beschreibt die Situa­ti­on im Lager sehr anschau­lich: „Die Bara­cken waren kalt, feucht zugig und schmut­zig, die Stroh­sä­cke lagen auf den schie­fen Bret­ter­bö­den, schlecht gefüllt mit muf­fi­gen Stroh. Es gab Wan­zen und Läu­se, Rat­ten und Flö­he; aber kein Ess­ge­schirr und kein Trink­ge­fäß. Alles Gepäck, die 20 kg, die pro Per­son erlaubt waren, war von dem Gepäck­ca­mi­ons auf die Lager­stra­ße gewor­fen wor­den und lag in wüs­tem Durch­ein­an­der in Dreck und Regen. Nur klei­ne Din­ge hat­te jeder bei sich, viel­leicht einen Becher, ein Mes­ser, mit denen sich meh­re­re behel­fen muss­ten. Wir waren voll­kom­men benom­men vom Schock der plötz­li­chen Depor­ta­ti­on aus der Hei­mat, trotz der Erbar­mungs­lo­sig­keit des Hit­ler­tums eben doch die Hei­mat war, in der wir auf­ge­wach­sen waren und vie­le Gene­ra­tio­nen vor uns ihr Leben ver­bracht hat­ten. Vie­le begrif­fen immer noch nicht, was mit ihnen gesche­hen war. Man saß auf den Stroh­sä­cken her­um, raus konn­te man nicht. Es reg­ne­te und reg­ne­te. Der Boden war ver­schlammt, man rutsch­te aus und sank ein. Die Grä­ben waren ver­stopft und das Was­ser lief über (…)“.2

Schlim­mer noch als die Beschrei­bung die­ses trost­lo­sen Ortes ist das Wis­sen, wie die Men­schen dort leb­ten oder viel­mehr zu über­le­ben ver­su­chen muss­ten. „Die Nah­rung, mit Mor­gen­ge­tränk (Kaf­fee), Mit­tags- und Abends­sup­pe in den Ilots [Insel­chen, Ein­tei­lung des Lagers in Blö­cke, Anm. d. Verf.] gekocht und durch 250g Brot auf durch­schnitt­lich 1000 Kalo­rien gebracht, war ganz unzu­rei­chend. Hun­ger, die völ­lig unge­nü­gen­de Hygie­ne – mehr­fa­che Ruhr­epi­di­mi­en, Läu­se und ande­res Unge­zie­fer.“.3 Die­se man­geln­de Hygie­ne und ärzt­li­che Ver­sor­gung sorg­te für eine enorm hohe Sterb­lich­keits­ra­te. Im Win­ter 1940/41 betrug sie bis zu 500 Tote.

Else Lief­mann, Kin­der­ärz­tin und Päd­ago­gin aus Frei­burg schrieb, nach­dem sie nach Gurs depor­tiert wur­de: „Wir haben täg­lich 10–15 Tote, meist alte Leu­te, aber auch ab und zu jün­ge­re und Kin­der. Das ist dann beson­de­res trau­rig. Aber der Dreck hier ist unbe­schreib­lich, dass, obgleich in mei­ner Infirmerie (Kran­ken­sta­ti­on) die Schwes­tern her­vor­ra­gend arbei­ten, dage­gen kaum anzu­ge­hen ist. Außer­dem feh­len uns ja so gut wie alle Hilfs­mit­tel und die Wir­kung ist mini­mal. Der Ver­tre­ter des Roten Kreu­zes wird hof­fent­lich berich­ten (…).“.4

Das ist nur ein klei­ner Ein­blick in die grau­sa­me Geschich­te der Okto­ber­de­por­ta­tio­nen und die­ser wird den meis­ten Lesern schon genügen.

Selbst­ver­ständ­lich wird in Frei­burg die­sem Tag gedacht, wie durch den Man­tel auf der Wiwilí­brü­cke (blau­en Brü­cke) oder auch durch die Syn­ago­ge. Doch sol­che Zei­chen brau­chen Erklä­run­gen und Auf­klä­rung. Jetzt ste­hen end­lich Schil­der mit Infor­ma­tio­nen bei der Syn­ago­ge und man kann nur hof­fen, dass die Men­schen im Win­ter nicht auf die Idee kom­men, dar­aus eine Schlitt­schuh­bahn zu machen oder im nächs­ten Som­mer sich wie­der mit Pis­to­len spie­le­risch abzu­schie­ßen, weil das so viel Spaß macht. Auch wäre es mehr als erstre­bens­wert eine Infor­ma­ti­on an das Ver­kehrs­schild nach Gurs zu hän­gen, damit man an jeder mög­li­chen Stel­le dar­an erin­nert wird, was pas­siert ist. Das Schild allei­ne klärt nicht auf. Wis­sen, Auf­klä­rung und Bil­dung sind unab­ding­bar, um den Men­schen zu zei­gen, was pas­siert ist und was sich auf kei­nen Fall wie­der­ho­len darf. Gera­de in einer so auf­ge­heiz­ten Stim­mung muss man mit Bil­dung gegen rech­te Stim­men ankämp­fen, Vor­ur­tei­le besei­ti­gen und Ver­trau­en schaf­fen. Wenn die Men­schen wirk­lich ver­ste­hen, was damals pas­siert ist, kann es nicht noch ein­mal gesche­hen, doch dafür muss Auf­klä­rung betrie­ben werden.

Lite­ra­tur:
1Vgl. Bräun­che, Otto/Steck, Vol­ker. Geschich­te und Erin­ne­rungs­kul­tur. 22. Okto­ber 1940 – Die Depor­ta­ti­on der badi­schen und saar­pfäl­zi­schen Juden in das Lager Gurs, hrsg. vom Stadt­ar­chiv Karls­ru­he, Karls­ru­he 2010, S. 19.
2Vgl. Ger­lach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hel­lich­ten Tag!“. Die Depor­ta­ti­on der badi­schen, pfäl­zer und saar­län­di­schen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stutt­gart 2000, S. 16.
3 Vgl. Kreh­biel-Darm­städ­ter, Maria, Brie­fe aus Gurs und Limo­nest 1940–1943, hrsg. von Wal­ter Schmit­t­hen­ner Hei­del­berg 1970, S. 21.
4Vgl. Ger­lach, Stefanie/Weber, Frank, „… es geschah am hel­lich­ten Tag!“. Die Depor­ta­ti­on der badi­schen, pfäl­zer und saar­län­di­schen Juden in das Lager Gurs/Pyrenäen, Stutt­gart 2000, S. 17.

Warum tickt der Osten anders?

Der Osten, schön saniert und trotz­dem teils leer.

Ein Redak­ti­ons­mit­glied des Stüh­lin­ger Maga­zins wird als Ex-Ossi oft damit kon­fron­tiert, was denn in sei­ner alten Hei­mat los ist. Zum Tag der deut­schen Ein­heit hat er daher einen län­ge­ren Arti­kel geschrie­ben, durch den viel­leicht klar wird, war­um es sol­che Unter­schie­de in den Ansich­ten und Denk­wei­sen zwi­schen Ost- und West­deut­schen gibt.

Stühlinger Magazin 4–2017

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