Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren – 70 Jahre Menschenrechte

Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durch die Vereinten Nationen verabschiedet. Dadurch wurden jedem Menschen auf der ganzen Welt die gleichen Rechte zugesprochen. Ganz egal welche Hautfarbe er hat, welche Religion, welche Staatsangehörigkeit. Ein Mensch ist ein Mensch. Diese Rechte sind angeboren, universell und unteilbar. Sie sind allgemeingültig und unantastbar. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr Konventionen und Abkommen verabschiedet, um die Durchsetzung der Menschenrechte voranzubringen.
Mit folgenden elf Merkmalen kann man „Menschenrechte“ nach unserem heutigen Verständnis kennzeichnen: (1) angeboren und unverlierbar, (2) überstaatlich, (3) individuell, (4) egalitär, (5) moralisch, (6) rechtlich, (7) politisch, (8) universell, (9) fundamental, (10) unteilbar und interdependent, (11) kritisch.
Bis es zur Umsetzung der Menschenrechte in dieser Form kam, brauchte es eine längere Vorgeschichte. Mord, Sklaverei, Folter sind alles Gründe, warum es zu der Entwicklung der Menschenrechte kam. Es mussten also erst einmal viele Menschen gepeinigt, erniedrigt und schmerzvoll gequält werden, bis international anerkannt wurde, dass das nicht so bleiben muss und darf. Durch die Änderung politischer Praxis würde sich dieses menschenunwürdige Verhalten abschaffen lassen. Doch diese „Revolution“ ist noch nicht abgeschlossen.
Deutschland hat im Gegensatz zu England und Frankreich eine verspätete Entwicklung zum demokratischen Verfassungsstaat angenommen. In der Weimarer Verfassung nahmen schließlich aber auch die sozialen Grundrechte ihren Platz ein. Doch sie blieben zur Disposition der parlamentarischen Mehrheit und des Reichspräsidenten. Die NS-Zeit setzte den Grundrechten in Deutschland ein Ende. Aufgrund des Nationalsozialismus kam es schließlich zu Überlegungen, Menschenrechten international Geltung zu schaffen.
Doch wie bei den meisten Entwicklungsprozessen, gibt es auch hier Gegenbewegungen und Hürden. Menschenrechte sind der Versuch, gleiche Rechte für alle herzustellen, doch Menschen, die großes Machtinteresse hegen und Angst davor haben, ihre hohe Position und ihre Vorteile zu verlieren, kämpfen gegen Menschenrechte an, da sie einen persönlichen Nachteil darin sehen. Des Weiteren verhindern auch der Krieg und Notstandsituationen die Entwicklung der Menschenrechte.

Ein Beispiel von leider viel zu vielen soll zeigen, wie Menschenrechte auch noch heute verletzt werden:
Es handelt sich um Natalia Estemirova. Sie gehörte zu der Menschenrechtsgruppe Memorial und wurde am 15. Juli 2009 entführt und getötet. Ihre Ermordung wurde bis heute nicht gründlich untersucht. Sie gehörte zu den bekanntesten MenschenrechtsverteidigerInnen Russlands. Sie dokumentierte schwerste Menschenrechts-verletzungen während des zweiten Tschetschenienkriegs, darunter Folter und außergerichtliche Hinrichtungen. Estemirova wurde in der Nähe ihrer Wohnung von bewaffneten Männern entführt. Noch am selben Tag wurde ihre Leiche am Straßenrand in der Nachbarregion gefunden. Daraufhin blieb Memorial nichts anderes übrig, als sein Personal evakuieren zu lassen und die Arbeit für fünf Monate zu unterbrechen. Seither ist die Arbeit für MenschenrechtlerInnen in Russland noch schwerer geworden. Sie stehen unter enormen Druck und der Leiter von Memorial, Oyub Titiev, wurde festgenommen, da angeblich Drogen in seinem Auto gefunden wurden. Nun sitzt er in Haft und seine Familie musste fliehen, da die Situation zu gefährlich für sie geworden ist. Titiev wird in Haft gezwungen ein falsches „Geständnis“ abzugeben, doch verweigert dies. Es ist anzunehmen oder zu befürchten, dass er in Haft gefoltert wird. Das Büro von Memorial in Nasran wurde von maskierten Männern angezündet. Am 19. Januar führte die Polizei eine Razzia im Büro durch. Die Angestellten erzählen, dass die Polizei mutmaßliches Beweismaterial in Beschlag nahm, um Titiev zu belasten. Die Vermutung liegt nahe, dass es zuvor platziert wurde.
Falls es soweit kommt, dass Memorial gezwungen wird Tschetschenien zu verlassen, wird es dort keine Organisation mehr geben, die die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. (mehr zu dem Fall)

Wie schon erwähnt, handelt es ich hier nicht um einen Einzelfall. Überall auf der Welt wird massiv gegen Menschenrechte verstoßen und Menschen unwürdig behandelt aufgrund dessen, dass sie friedlich demonstrieren, ihre Meinung äußern und sich für andere Menschen einsetzen. In diesem Fall kann niemand sagen, dass es einen nichts angeht, oder dass man nichts dagegen tun kann. Jeder von uns kann etwas bewirken. Sei es Geld spenden, für sein Recht oder die Rechte der Mitmenschen eintreten oder aktiv sich für Menschenrechte international einsetzten. Kein Schritt ist zu klein dafür. Auch in Deutschland wird immer noch gegen Menschenrechte verstoßen. Es fällt uns vielleicht nicht so auf, weil es keine Folter und keine Todesstrafe gibt und wir unsere Meinung äußern dürfen. Aber wir werden staatlich überwacht, Frauen bekommen für die gleiche Arbeit weniger Geld als Männer, Polizeigewalt wird nicht immer gut genug untersucht. Dazu kommt noch, dass Menschen, die vermeintlich nicht rein deutsch aussehen immer noch im Alltag Rassismus erfahren. Menschenrechte gehen alle etwas an, auch uns in Deutschland.

Stühlinger Magazin 3-2018

Inhalt dieser Ausgabe:






100 Jahre Frauenwahlrecht

Es ist ein Tag der Freude, das Wahlrecht der Frau jährt sich zum 100. Mal. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu steuerte seinerzeit die SPD bei. Doch es war ein langer Weg bis zu diesem mehr als notwendigen Gesetz, das Frauen allgemeines Wahlrecht zugestand. 1908 durften volljährige Frauen im ganzen Kaiserreich erstmals Mitglied einer politischen Partei werden. Im gleichen Jahr beschlossen die Sozialdemokraten, dass alle Mitglieder der sozialistischen Frauenbewegung verpflichtet seien, die Mitgliedschaft der SPD zu erwerben und somit die selbständigen Frauenbildungsvereine aufgelöst werden sollten. Die Frauen setzten sich aber weiter dafür ein, dass sie ihre Lese- und Diskussionsabende weiterführen konnten. Dies wurde erlaubt und auch die sozialistischen Frauenkonferenzen vor den Parteitagen durften weiterhin stattfinden. Frauen wurden nach und nach in der SPD immer mehr miteinbezogen und erhielten Posten als Sekretärin, wodurch die Frauenbewegung mit der Partei immer stärker zusammenwuchs.

August Bebel, Quelle: https://www.dhm.de/lemo/biografie/august-bebel

Das Frauenwahlrecht ist eng verbunden mit dem Namen des Genossen August Bebel. Er schrieb 1879 einen Bestseller mit dem Titel „Die Frau und der Sozialismus“ und kämpfte mit ihm für die Gleichberechtigung. Bebel war den Menschen seiner Zeit voraus und das nicht nur den Männern, sondern auch den Frauen. Er vertrat die Auffassung, dass „was für die Arbeiterklasse recht ist“, also allgemeine, geheime Wahlen, für Frauen nicht „unrecht“ sein kann. Er war fest davon überzeugt, dass durch das Wahlrecht auch die Unmündigkeit der Frau sinken würde und dadurch das Bewusstsein für Pflichten entstehen könnte. Im Kontrast zur zeitgenössischen Meinung, dass das Wahlrecht der Frauen zu Streit in Familien führen würde, war August Bebel anderer Meinung: „Mit diesem Augenblick werden zwischen Mann und Frau eine Reihe von Anregungen gegeben, die, weit entfernt, ihr gegenseitiges Verhältnis zu verschlechtern, es im Gegenteil wesentlich verbessern werden“. Doch Veränderungen brauchen Zeit. Als Genosse weiß man, dass es auch in der SPD lange dauert, um Veränderungen und Fortschritte herbeizuführen. So dauerte es in diesem Fall 15 Jahre, bis die SPD 1891 als erste deutsche Partei „Allgemeines, gleiches, direktes Wahl- und Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts für alle Wahlen und Abstimmungen“ als Forderung in ihr Grundsatzprogramm aufnahm. Das war ein erheblicher Fortschritt und Bebel kämpfte noch weiter. 1895 schrieb er: „Begeht die Frau ein Vergehen oder Verbrechen, so wird ihre Verurtheilung und Strafe genau nach demselben Gesetz bemessen, das für die Männer gilt. Sie hat also dieselben Pflichten wie der Mann, warum nicht auch dieselben Rechte?“. Noch im gleichen Jahr reichte die SPD einen Antrag für die Einführung des Frauenwahlrechts im Reichstag ein. Sie blieb aber mit dieser Idee alleine und fand keine Unterstützung. Viele Jahre später, nämlich 1918, trat Wilhelm II. ab und die Republik wurde am 9. November ins Leben gerufen. Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wurde zum Reichskanzler proklamiert. Am 12. November legte der Rat der Volksbeauftragten, der für die ersten Monate nach der Republikausrufung die Regierungsgewalt innehatte, den „Aufruf an das deutsche Volk“ vor. Darin heißt es: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystem für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Somit hatten Frauen in Deutschland das allgemeine Wahlrecht erreicht.

Elisabeth Selbert, Quelle https://www.hdg.de/lemo/biografie/elisabeth-selbert.html

Besonders die SPD setzte sich für das Frauenwahlrecht ein. Doch auch Frauen außerhalb der Partei kämpften für ihr Wahlrecht unabhängig von Alter, Stand oder Beruf. Es war, nicht nur für Frauen, ein Kampf dieses Privileg des Wahlrechts durchzusetzen. Frauen wurde geringe Intelligenz zugesprochen, außerdem wurden sie aufgrund ihrer Gebärfähigkeit gleich aus dem politischen Leben ausgeschlossen, da sie ja „Gottgewollt“ für den privaten Gebrauch erschaffen wurden. Elisabeth Selbert setzte durch, dass der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ 1949 im Artikel 3, Abs. 2 des Grundgesetzes aufgenommen wurde.
Die Mehrheit der Abgeordneten waren in der SPD zu finden. Marie Juchacz sprach als erste Frau überhaupt im deutschen Parlament und hält am 19. Februar 1919 eine Rede:

„Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, dass es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat. (…) Die Frauen besitzen heute das ihnen zustehende Recht der Staatsbürgerinnen. Gemäß ihrer Weltanschauung konnte und durfte eine vom Volk beauftragte sozialistische Regierung nicht anders handeln, wie sie gehandelt hat.“

Doch auch heute ist das Ziel der absoluten Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht. Bis heute werden Frauen benachteiligt, weniger ernst genommen und haben es in der Gesellschaft schwerer. Sie verdienen weniger, werden noch zu oft auf ihr Aussehen reduziert, leiden viel zu häufig unter häuslicher Gewalt und zu oft wird das weibliche Geschlecht als Schimpfwort benutzt. Schaut man sich heute etwa den Bundestag an, sieht man, dass der Männeranteil weiterhin wesentlich höher ist (derzeit 490 Männer, 219 Frauen). Wünschenswert wäre es, wenn die SPD (mich eingeschlossen) wieder mehr Energie und Kraft aufwenden würde, um den Kampf für komplette Gleichberechtigung aufzunehmen, und auch in anderen Bereichen fortschrittlicher denkt, wieder klare Positionen bezieht, um so wieder etwas zu bewegen und aus festgefahrenen Strukturen auszubrechen.

Literatur/Quellen:

Neues Recht für Sammelklagen für Verbraucher

Dieser Artikel ist für alle vom Dieser Artikel ist für alle vom Dieselskandal betroffenen Leser wichtig, denn gerade noch rechtzeitig, bevor die Verfehlungen der Autobauer bei den Diesel-Abgaswerten verjähren, hat das Parlament die von der SPD eingebrachte Musterfeststellungsklage beschlossen. Sie tritt am 1. November in Kraft.
Worum geht es? Wenn ein Hersteller eines Produkts gegen Gesetze verstößt, z.B. indem sein Produkt giftige Stoffe enthält, kann man als Betroffener den Hersteller auf Schadenersatz verklagen. Jedoch muss das bisher jeder Betroffene einzeln. Da die meisten Produkte maschinell gefertigt werden, sind viele Personen genau gleich betroffen. Aktuell muss also noch jeder Autobesitzer den Hersteller einzeln verklagen, auch wenn es zum selben Sachverhalt bereits mehrere Urteile gibt. Es ist also sinnvoll, dass die Gerichte einmalig feststellen, dass es einen Gesetzesverstoß bei einem Produkt gab und dass alle Betroffenen entschädigt werden können.
Anderen Staaten wie die USA haben daher Sammelklagen eingeführt. Dabei schließen sich mehrere Betroffene zu einer Art Klageverein zusammen und klagen. So muss das Gericht nur einmalig entscheiden und die Betroffenen können sich die Anwaltskosten teilen. Ist die Klage erfolgreich, werden alle, die sich an der Klage beteiligt haben, entschädigt. Alle anderen jedoch nicht. Das hat somit den Nachteil, dass man nicht nachträglich klagen kann, auch wenn man betroffen ist.
Um die sinnvolle Sammelklage einzuführen, ohne jedoch ihre Nachteile zu übernehmen, hat man folgendes System entworfen: Klageberechtigt sind nur sogenannte qualifizierte Vereine wie z.B. Verbraucherverbände. Diese vertreten im ersten Schritt exemplarisch 10 Geschädigte. Die Klage geht direkt an ein Oberlandesgericht, da das Urteil für alle Verbraucher den Sachverhalt feststellen soll. Das Gericht kann die Klage als offensichtlich unbegründet ablehnen oder annehmen. Wenn es sie annimmt, legt das Bundesamt für Justiz ein Klageregister an. In dieses müssen sich innerhalb von 2 Monaten mindestens 50 Geschädigte eintragen. Keiner, der sich einträgt, hat dabei das Risiko, dass er die Prozesskosten tragen müsste, wenn die Klage nicht erfolgreich ist. Das senkt die Hemmschwelle, sich einzutragen. Außerdem wird für alle Eingetragenen die Verjährung solange aufgeschoben, bis ein Urteil ergangen ist.
Übertragen auf den Dieselskandal heißt das, dass Verbraucherverbände am 1. November Musterfeststellungsklagen einlegen werden. Sobald ein Gericht diese annimmt, ist für jeden Hersteller und Motor die erste angenommene Klage entscheidend, denn ein Hersteller kann wegen desselben Sachverhalts nur einmal verklagt werden. Nun hat man zwei Monate Zeit, also vsl. bis Jahresende, um sich als Geschädigter in das entsprechende Klageregister einzutragen. Die Schadensersatzansprüche würden am 1. Januar 2019 verjähren (3 Jahre ab Beginn des Folgejahres nach Bekanntwerden). Ist man eingetragen, wird die Verjährung bis zum Urteil gestoppt. Wer also vorhat, seinen Autohersteller zu verklagen, muss sich auf jeden Fall eintragen. Entscheidet das Gericht für die Klage, ist festgestellt, dass alle Besitzer desselben Motors im Auto ein Recht auf Entschädigung haben.
Der Wermutstropfen ist nun, dass man sich zwar auf das Urteil berufen kann und auch weiß, dass einem eine Entschädigung zusteht, wie hoch diese genau ausfällt, muss man jedoch weiterhin selbst mit einer eigenen Klage gegen den Hersteller urteilen lassen. Dies wurde bewusst so festgelegt, denn der Motor kann in verschieden teuren Autos verbaut sein. Es muss also im Einzelfall entschieden werden, wie hoch die Entschädigung ist.
Sie werden in den nächsten Monaten viel in den Medien zur Musterfeststellungsklage hören. Wie bei jedem neuen Verfahren werden sich die Schwachpunkte erst im Laufe der Zeit herausstellen. Daher ist die Politik immer aktiv und justiert Gesetze permanent nach, wenn Verbesserungsbedarf besteht. Obwohl darüber selten berichtet wird, ist diese Justierung der größte Teil der Regierungsarbeit. Um zu sehen, wie viel jeden Monat an Gesetzen und Verordnungen geändert wird, brauchen Sie nur unter www.bundesrat.de die Rubrik Bundesrat KOMPAKT aufrufen. Die Medien berichten korrekterweise über Missstände, denn das ist auch ihre Aufgabe. Leider berichten sie kaum darüber, wenn ein Missstand beseitigt wird. Dadurch haben die Bürger oft das Gefühl, dass die Welt voller Missstände ist, und sich niemand darum kümmert.
Sie sehen außerdem, dass sich die SPD in der GroKo für Ihre Belange einsetzt, auch wenn sie das leider nicht gut kommuniziert.

Neues Recht für Sammelklagen für Verbraucher

Dieser Artikel ist für alle vom Dieselskandal betroffenen Leser wichtig, denn gerade noch rechtzeitig, bevor die Verfehlungen der Autobauer bei den Diesel-Abgaswerten verjähren, hat das Parlament die von der SPD eingebrachte Musterfeststellungsklage beschlossen. Sie tritt am 1. November in Kraft.
Worum geht es? Wenn ein Hersteller eines Produkts gegen Gesetze verstößt, z.B. indem sein Produkt giftige Stoffe enthält, kann man als Betroffener den Hersteller auf Schadenersatz verklagen. Jedoch muss das bisher jeder Betroffene einzeln. Da die meisten Produkte maschinell gefertigt werden, sind viele Personen genau gleich betroffen. Aktuell muss also noch jeder Autobesitzer den Hersteller einzeln verklagen, auch wenn es zum selben Sachverhalt bereits mehrere Urteile gibt. Es ist also sinnvoll, dass die Gerichte einmalig feststellen, dass es einen Gesetzesverstoß bei einem Produkt gab und dass alle Betroffenen entschädigt werden können.
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Berliner Bote 09-2018

vom Bundestagsabgeordneten Dr. Johannes Fechner

Nun startet wieder die politische Arbeit in Berlin und wir haben viele Aufgaben vor uns. Die SPD wird weiter Druck machen, dass Gesundheitsminister Spahn endlich das überfällige Pflegekonzept liefert, weil in vielen Seniorenwohnheimen die Personalsituation dramatisch ist. Wir werden darauf drängen, ein Rentenkonzept zu erstellen, das langfristig ein sicheres Rentenniveau von rund der Hälfte des durchschnittlichen Einkommens sichert, ohne dabei die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu sehr zu belasten. Als Rechtspolitiker ist es mir ein großes Anliegen, den Pakt für den Rechtsstaat voranzutreiben, damit wir bei Polizei und Justiz mehr Personal und bessere Sachausstattung bekommen für noch mehr Sicherheit bei uns.
Meine Einschätzung zu den schlimmen Ereignissen in Chemnitz und zur Maaßen-Affäre könnt Ihr ebenfalls in dieser Boten-Ausgabe nachlesen.

Den vollständigen Boten gibt es hier als PDF.

Warum tickt der Osten anders?

Der Osten, schön saniert und trotzdem teils leer.

Ein Redaktionsmitglied des Stühlinger Magazins wird als Ex-Ossi oft damit konfrontiert, was denn in seiner alten Heimat los ist. Zum Tag der deutschen Einheit hat er daher einen längeren Artikel geschrieben, durch den vielleicht klar wird, warum es solche Unterschiede in den Ansichten und Denkweisen zwischen Ost- und Westdeutschen gibt.

Warum tickt der Osten anders?

Schön saniert und dennoch leer

Als Ex-Ossi werde ich oft damit konfrontiert, was denn in meiner alten Heimat los ist. Mir fällt dabei auf, dass die meisten Medien nicht vermitteln, warum die Ansichten und Denkweisen im Osten anders sind. Das kommt auch daher, dass es in den Chefredaktionen kaum Ostdeutsche gibt und dass auch in in Ostdeutschland selbst die überwältigende Zahl der Chefs, Richter, Generäle etc. aus dem Westen stammen.

Da es ein längerer Artikel ist, empfiehlt sich etwas Musik zum Lesen: Moderat – A new error

Um die Gefühle von vielen Ostdeutschen verstehen, gehen wir zurück in das Jahr 1990: Die Wende ist da, die Chance der Tristesse in maroden Großbetrieben zu entgehen, nicht mehr wochenlang per Tauschhandel Waren hinterherzurennen, die es ohne Westgeld nicht gab. Die Wende machte Hoffnung, dass man es nun mit harter Arbeit auch endlich zu etwas bringen, in einem schönen Haus wohnen und die Welt bereisen kann. Man konnte nun auch selbst ein Unternehmen gründen, etwas bewegen.
Das Problem daran waren die Startbedingungen. Stellen Sie sich vor, die spielen Monopoly mit 5 anderen. Alle anderen haben dasselbe Startgeld, sie aber nur ein Fünftel davon. Wer wird gewinnen und wer zuerst ausscheiden? Probieren Sie es am besten einmal aus, denn das prägt!
Übersetzt auf 1990 heißt das, 20% der Deutschen hatten so gut wie kein Startkapital. Am Ende der DDR lag das durchschnittliche Arbeitseinkommen bei 1140 Mark (der DDR). Nimmt man an, dass man etwa ein Drittel davon monatlich ansparen konnte, wären das 380 Mark, also in 10 Jahren 45.600 Mark. Bei der Währungsunion 1990 konnte man das 2:1 in Westmark tauschen, 4000 Mark sogar 1:1 (Details dazu siehe hier). Das heißt, das über 10 Jahre angesparte Geld war 24.800 Westmark wert. Immobilieneigentum gab es in der DDR systembedingt nur sehr selten, daher war das angesparte Geld auch meist das Vermögen.
Seit 1990 haben sich die Kaufpreise für Wohnungen in etwa verdoppelt. Heute kostet z.B. eine Wohnung in Dresden um die 120.000 €. Man kann also abschätzen, dass der Kaufpreis 1990 um die 60.000 €, also 120.000 Westmark gelegen hat. Dazu kommt, dass jede Wohnung erst einmal saniert werden musste. Das angesparte Geld reichte also nicht aus, um eine Wohnung, geschweige denn ein ganzes Haus zu kaufen. Dazu hätte man einen Kredit aufnehmen müssen. Doch ohne Sicherheiten, gibt es keinen Kredit und das Gehalt wurde kaum als Sicherheit akzeptiert, denn durch die Abwicklung der Betriebe wurden die allermeisten Menschen arbeitslos. Viele haben die 1990er Jahre mit Umschulungen, Arbeitslosigkeit und kurzzeitigen Beschäftigungen verbracht. Es konnten sich also nur Leute aus dem Westen und Westeuropa Häuser in Ostdeutschland kaufen, denn diese hatten entweder bereits das nötige Kapitel oder Sicherheiten für Kredite. So gehören die meisten Mietwohnungen in Ostdeutschland Menschen, die nicht vor Ort wohnen.
Viele Leute im Osten haben realisiert, dass sie es nicht aus eigener Kraft schaffen können, Wohneigentum zu erwerben, denn der Markt wird von Menschen aus dem Westen befeuert, die ihr Geld anlegen wollen. Die Kaufpreise steigen daher auch in Ostdeutschland rasant, während ein Drittel der Ostdeutschen weniger als 2000 € im Monat brutto verdienen. Als Daumenregel gilt, dass man eine Wohnung nur kaufen sollte, wenn man sie in 25 Jahren abbezahlen kann. Das hieße bei 120.000 € Kaufpreis, 25 Jahre lang jeden Monat 400 € zur Seite legen. Das können die Meisten nicht.

Wichtig für das Gefühl sind auch die vergangenen Jahre. Als 2016 der Mindestlohn eingeführt wurde, hat z.B. in Sachsen fast jeder vierte Arbeitnehmer weniger als 8,50 €/Stunde verdient. Das heißt, dass viele Menschen in den Jahren seit der Wiedervereinigung kaum etwas ansparen konnten. Dazu kommt das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Sicherlich waren viele DDR-Betriebe nicht auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig, doch die, die es waren, wurden als Konkurrenz wahrgenommen, teilweise aufgekauft und zerschlagen oder hatten einfach nicht das Startkapital, um am Markt zu bestehen. Hier zwei Beispiele: Keramikfabrik, Kühlschränke.
Dazu kommt die Psychologie, denn jeder Mensch braucht Bestätigung, dass er etwas Sinnvolles macht. In der DDR hatten z.B. hunderttausende Menschen im Bergbau gearbeitet. Deren Arbeitsleistung wurde nicht honoriert. Bergarbeiter waren die Sündenböcke für zerstörte Landschaften und sie wurden kaum unterstützt, in anderen Bereichen eine neuen Job zu finden. In Westdeutschland gab es hingegen Sozialpläne über teils Jahrzehnte, der Ausstieg aus dem Untertage-Bergbau wurde langsam und geplant vollzogen. Dass Ostdeutsche Bergarbeiter nicht dieselbe Unterstützung bekamen und bis heute Nachteile haben, löst Wut aus.

Noch 2009 lag die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bei 13 %, dazu kamen Tausende Menschen, die nicht in die Statistik kamen durch Umschulungen etc. Erst in den letzten Jahren sank die Arbeitslosigkeit auch im Osten unter 10 %. Doch wer sich 25 Jahre seines Lebens mit schlecht bezahlten Kurzzeitjobs und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über Wasser gehalten hat, sieht Ausländer als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Viele Ostdeutsche sind zum Arbeiten in den Westen gependelt, haben viel Freizeit mit der Fahrerei verbracht und kennen keinen Westdeutschen, der es umgekehrt getan hat. Viele sind daher überzeugt, dass sie alles gegeben haben und fühlen, dass sie trotzdem kaum etwas erreicht haben. Mir ist diesbezüglich eine Szene im Kopf geblieben: Der Eintritt in den Schlosspark Pillnitz kostet nur 3 €. In der Schlange am Eintritt standen auch Flüchtlinge. Damit denen im Wohnheim nicht die Decke auf den Kopf fällt, sie aber kein Geld haben, durften sie umsonst in den Park. An sich eine vernünftige Entscheidung, eine Rentnerin in der Schlange hat sich jedoch fürchterlich darüber aufgeregt: Sie hat ihr ganzes Laben lang gearbeitet, kommt aber mit ihrer Rente gerade so über die Runden. Der Park ist aber nur so schön, weil er mit ihren Steuern instand gehalten wurde, ja zu DDR-Zeiten hat sie sogar unentgeltliche Arbeitseinsätze im Park gemacht und nun muss sie für den Eintritt bezahlen, während Fremde, die nie Steuern gezahlt haben, umsonst reinkommen.
Der Vorfall ist ein gutes Beispiel für das Gefühl, das viele im Osten haben. Dadurch, dass sie trotz Arbeit das Gefühl haben, nicht voll teilhaben zu können, macht sie anfällig für Angst und Neid gegenüber denen, die neu kommen. Generell ist mangelnde Teilhabe ein großes Problem, natürlich auch in Westdeutschland.

Teile meiner Heimat wurden abgerissen

Ein weiterer wichtiger Punkt ist Heimat. Nach der Wende haben viele Menschen den Osten verlassen. Dadurch standen ganze Wohngebiete leer. Die meisten ostdeutschen Gemeinden haben mehr als ein Fünftel ihrer Einwohner verloren. Und so wurde auch das Wohngebiet abgerissen, in dem ich zur Schule gegangen bin und wo meine ganzen Freunde gewohnt haben. Dafür kann die Politik nicht viel, dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass das Gefühle auslöst, im Vergleich zum Rest Deutschlands abgehängt zu sein.

Man hat zur Wende das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ angewendet. Alteigentümer bekamen ihren ehemaligen Besitz zurück, der in der DDR enteignet wurde. Dies waren meist Leute aus dem Westen, die durch ihre Enteignung aus dem Osten geflohen sind. Das Prinzip wurde bei den Verhandlungen zur Wiedervereinigung von den Siegermächten abgesegnet und noch vor der Wiedervereinigung von der Volkskammer per Gesetz beschlossen. Insofern ist nicht klar ob die Siegermächte anderen Regelungen zugestimmt hätten, z.B. dass man den DDR-Bewohnern die von ihnen bewohnten Gebäude und die Betriebe, in denen sie bisher gearbeitet haben, übertragen hätte. Denn wer in der Heimat Besitz und einen Job hat, verlässt sie nicht. Sicher wären dennoch auch mit dieser Methode der Übertragung an die Bewohner/Arbeiter viele Firmen pleite gegangen oder Häuser verkauft worden, doch dann hätte man die Startbedingungen für das Monopoly der Marktwirtschaft wenigsten etwas angeglichen.

Apropos Marktwirtschaft, Westdeutsche können es sich nicht vorstellen, wie es ist, quasi über Nacht ein neues Wirtschaftssystem zu haben. Man kann es sich so vorstellen, dass sich auf einmal keiner in der Welt ein deutsches Auto leisten kann, Daimler, VW und Co. abgewickelt werden müssten, Hunderttausende auf der Straße stehen und sich einen neuen Job suchen müssen, obwohl sie jeden Tag für ihre Firmen hart gearbeitet haben. Und dann würden ihnen auch noch andere sagen, dass es nur daran läge, weil sie vorher schlecht gearbeitet hätten. Man muss sich klar machen, dass die Arbeiter der DDR nichts für die staatlich verordnete Mangelwirtschaft konnten, stattdessen unter Murren und Unterdrückung ihrer Ideen versucht haben, trotz Mangel einigermaßen qualitative Produkte herzustellen.
Dazu kommt, dass im Sozialismus mehr Miteinander als Gegeneinander war, sprich, wer etwas geleistet hat, stellte eine Rechnung und die wurde auch bezahlt. Dass man Rechnungen erst einmahnen oder gar einklagen muss, mussten viele ostdeutsche Neuunternehmer bitter lernen.

Das Miteinander ist ein weiterer wichtiger Punkt. Es gab Arbeitskollektive, in denen man sich gegenseitig auch im Privaten geholfen hat. Es wurde mit den Abteilungen Ausflüge gemacht, Kinder in Ferienlagern der Betriebe im Sommer betreut, es gab ausreichend Kindergartenplätze und viele andere Dinge, die es heute so nicht mehr gibt. Es war für Viele eine große Umstellung, dass man sich um alle Dinge selber kümmern muss, also z.B. die Schule nicht mehr dafür sorgt, dass alle Schulbücher da sind, sondern dass man Schulbücher auswählen, Angebote für Ferienlager suchen und Preise vergleichen muss. Die ehemalige Lehrerin am Ende dieser Reportage bringt das gut auf den Punkt.

Und nun, was ist die Schlussfolgerung? Es gibt sicher kein Patentrezept. Es ist auf jeden Fall sehr wichtig die Löhne und Renten schnellstmöglich anzugleichen. Bei der Rente ist das bereits auf den Weg gebracht, bei den Löhnen leider nicht. Es ist ein Unding, dass wir überall einen Pflegenotstand haben, aber man dafür in Rostock bei gleicher Leistung weniger verdient als in Lübeck. Dort kann und muss die Politik eingreifen, wenn sie von den Menschen ernst genommen werden will. Aus gutem Grund wurden z.B. Frauenquoten eingeführt und man hat das Recht zu schauen, dass man als Frau genauso viel verdient wie ein Mann bei gleicher Leistung. Das ist eine Selbstverständlichkeit und was wir für Geschlechter als fair oder unfair empfinden, muss generell auch für Regionen gelten. Es würde kein Porsche-Mitarbeiter in Zuffenhausen akzeptieren, weniger zu bekommen als sein Kollege im Leipziger Werk. Um das überprüfen zu können, sollte die Politik neue Arbeitnehmerrechte schaffen. Diese sollten nicht für Ost/West sondern zum Vergleich zwischen allen Werken einer Firma gelten.
Dass die meisten Führungspositionen in Ostdeutschland nicht von Ostdeutschen besetzt sind, ist ebenfalls ein Problem, dass man angehen muss, denn Gesellschaft funktioniert nur, wenn Amtsleiter und Vorstände die Probleme der Bevölkerung kennen, weil sie darin aufgewachsen sind. Da die Situation so extrem ist, kommt man dem wahrscheinlich nur mit zeitlich befristeten Quotenregelungen für Ostdeutsche bei.

Infoveranstaltung zu Impfangst und Impfmüdigkeit am 23. 9. in der Hebelschule

In Deutschland sinken in den letzten Jahren die Quote an geimpften Kindern selbst bei hoch ansteckenden Krankheiten wie Masern. Mit unserer Veranstaltung am 23. 9. wollen wir informieren, welche Faktoren sowohl die verbreitete Impfangst, als auch die wachsende Impfmüdigkeit in Deutschland, vor allem aber auch in Freiburg, befeuern. Welche Gefahren birgt das Impfen und welche birgt das Nicht-Impfen? Diese Fragen wollen wir wissenschaftlich fundiert und im Kontext der aktuellen gesetzlichen und politischen Lage erörtern, um zu einem aufgeklärten Diskurs beizutragen. Die Referenten sind:

  • Prof. Dr. Philipp Henneke (Sektionsleiter Pädiatrische Infektiologie und Rheumatologie)
  • Birgit Wiloth-Sacherer (Landesgeschäftsführerin des Badischen Roten Kreuzes)
  • Diskussionsleitung: Dr. Philipp Kolb, Virologe und Stellvertretender Vorsitzender der Stühlinger SPD