Zum Gedenken an die Opfer des 10. Mai 1940, als deutsche Flieger versehentlich den Stühlinger bombardierten, legten Landtagsabgeordnete Gabi Rolland und unser stellvertretende Vorsitzende Johannes Merz, am Mittwoch ein Blumengebinde am Gedenkstein auf dem Hildaspielplatz nieder. „Wir müssen hoffen und dafür arbeiten, dass die Kinder, die heute hier spielen, nie durch Krieg und Gewalt ihr Leben verlieren“, forderte Merz in seiner Gedenkansprache.
Links auf dem Bild das Gebinde, das die DFG – VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) vorher in einer Veranstaltung niedergelegt hat.
Es folgt der vollständige Text der Rede, die von Johannes Merz vorgetragen wurde und deren Entwurf von unserer Co-Vorsitzenden Franziska Ehmer stammt:
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen,
heute treffen wir uns hier, um den Opfern des deutschen Bombenangriffs auf den Hildaspielplatz vom 10. Mai 1940 zu gedenken.
Hier – wo wir jetzt stehen, spielten vor 83 Jahren Kinder und ihre Familien, bis sie auf grausame Art und Weise voneinander getrennt oder verletzt wurden. 13 Kinder starben hier auf dem Hildaspielplatz.
Der 10. Mai 1940 ist ein Tag, der für immer in der Geschichte Freiburgs verankert bleiben wird. Auch wenn oft versucht wurde die wahre Tat zu vertuschen, nämlich dass deutsche Fliegerbomben die alleinige Schuld an dieser unsagbaren Tragödie haben:
Wir halten fest an den Bemühungen unserer Genossinnen und Genossen und machen jedes Jahr darauf aufmerksam.
Wir wollen den Opfern gedenken und ihnen die Ehre erweisen, die sie auch vor 83 Jahren verdient hatten, ihnen aber verwehrt wurde.
Anstatt wie geplant Menschenleben in Frankreich auszulöschen, warf die deutsche Luftwaffe fälschlicherweise Bomben über Freiburg ab und traf unter anderem den hier liegenden Spielplatz. Diesen Fehler suchten die Nationalsozialisten zu vertuschen und schoben die Schuld perfider Weise auf die Alliierten. 57 Menschen, darunter 20 Kinder, starben durch diesen Bombenangriff.
Gerd Ueberschär und Dr. Wolfram Wette schafften jedoch mit ihrem 1981 erschienen Buch „Bomben und Legenden“ Klarheit. Sie deckten diese Lüge und gezielte Vertuschung auf. Wolfram Wette erfuhr von der heutigen Veranstaltung und lies seine Grüße an die hier Versammelten ausrichten.
83 Jahre sind eine lange Zeit und seitdem sind in Deutschland einige Generationen von Menschen aufgewachsen, die keinen Krieg miterleben mussten. So auch ich. Dennoch haben der heutige Tag und der Bombenabwurf einen persönlichen Bezug, da ich viele Jahre später in jener bayerischen Kleinstadt geboren wurde, aus dem ein Teil des besagten deutschen Kampfgeschwaders stammte.
Viele von uns haben Krieg und seine Gewalt – zum Glück – nur aus Büchern kennengelernt. Doch dieses Glück macht es uns auch schwer, das tatsächliche Leid solcher Ereignisse zu erfassen.
Manchmal, bedarf es daher die Worte anderer zu bedienen: Der Kriegsreporter und Journalist Wassili Grossmann, der wie kaum ein anderer die Grauen des 2. Weltkriegs beschrieben hat, führt vor, welches Unvermögen wir Menschen haben, wenn wir von einem Todesfall lesen. „Ein Mensch, der zufällig einen Blick in die Leichenhalle geworfen oder gesehen hat, wie ein Lastwagen eine achtjährige Schülerin überfahren hat, ist einige Tage nicht ganz er selbst, kann nicht schlafen und hat keinen Appetit. Aber es gibt keinen Menschen mit einem so vibrierenden Herzen, einem solch einfühlsamen Verstand, mit solch einer Vorstellungskraft, mit einem so gewaltigen Gefühl für Humanität und Gerechtigkeit, dass er imstande wäre, den Albtraum dessen, was geschehen ist, zu ermessen, wenn er davon in einem Buch oder in der Zeitung gelesen hat.“
Ist man ehrlich zu sich selbst, stimmt das wohl, denn die meisten Menschen würden augenscheinlich daran zerbrechen, wenn sie den gewaltvollen Tod von 57 Menschen, darunter 20 Kindern, miterleben würden.
All das Leid, was den Menschen hinzugefügt wurde und der Verlust, sind für mich und sicher auch für Sie unvorstellbar.
Es ist unser Glück, dass wir seit 1945, hier in Deutschland im Frieden leben. Dass wir solche Gewalt nicht erleben müssen. Wir möchten daher die Chance nutzen, an heutige Kriege und Konflikte zu denken.
Auch dieses Jahr können wir dem Krieg in der Ukraine nicht unerwähnt lassen. Seit Februar 2022 hören wir jeden Tag Nachrichten aus der Ukraine, jeden Tag sterben zahlreiche Menschen. Den Krieg in der Ukraine können wir nicht mehr verhindern, doch muss er uns ein Mahnmal sein, uns unentwegt für Frieden einzusetzen, und nicht abzustumpfen gegenüber der andauernden Gewalt.
Weniger hören wir von anderen Kriegen und Konflikten, zum Beispiel in Tigray (Äthiopien) oder dem Sudan.
Noch viel weniger hören wir von diesen Orten nach den Kriegen. Kürzlich schrieb Navid Kermani in Zusammenhang mit dem Krieg in Äthiopien von einem „Frieden, der lediglich aus der Abwesenheit des Krieges besteht“.
Die Waffen schweigen, doch das Leid der Menschen bleibt bestehen. Die Länder und die dort lebenden Menschen sind auf Jahre, Jahrzehnte
zerstört,
verstört,
geschädigt.
Und auch der 2. Weltkrieg, der vielen von uns so fern ist, den die meisten nur aus Büchern kennen, prägt noch immer unsere Gesellschaft auf so vielfältige Weise.
Jedes Jahr kommen Menschen, die Angehörige bei dem Bombenangriff verloren haben, am 10. Mai hierher.
Heute spielen hier wieder Kinder, ohne sich Sorgen über Krieg machen zu müssen. Zumindest nicht direkt hier vor Ort in Freiburg. Auch wenn doch viele Menschen aus ihrer Heimat fliehen mussten, um in Frieden leben zu können.
Wir müssen hoffen und dafür arbeiten, dass die Kinder, die heute hier spielen, nie durch Krieg und Gewalt ihr Leben verlieren.
Wir müssen gegen Desinformation angehen, damit nicht Hass, Verblendung und Lügen in uns Platz finden, und uns zu Menschen machen, die Gewalt tatenlos zulassen.
Was können wir also tun, um künftig Kriegen besser vorzubeugen? Nehmen wir den Tag des Gedenkens auch zum Anlass, darüber nachzudenken.