Freiburg braucht Milieuschutzgebiete

Freiburg hat ein Wohnungsproblem. Der feh­lende Wohnraum treibt die Miet- und Kaufpreise in die Höhe. Dadurch wird es für Hausbesitzer leich­ter, ihren Gewinn zu erhö­hen. Zum Beispiel kön­nen der­zeit 11 % der Modernisierungskosten auf die jähr­li­che Miete auf­ge­schla­gen wer­den. Das heißt, dass man sein Haus so auch über­mä­ßig sanie­ren kann, soge­nannte Luxussanierung.
Indem Miet- in Eigentumswohnungen umge­wan­delt wer­den, kön­nen Hausbesitzer die hohen Kaufpreise nut­zen und so die ein­zel­nen Wohnungen im Haus Stück für Stück mit maxi­ma­lem Gewinn ver­kau­fen. Nach einer Umwandlung in Eigentumswohnungen haben die Mieter 3 Jahre Schutz vor Kündigungen wegen Eigenbedarfs. Sie müs­sen in vie­len Fällen jedoch mit der maxi­mal mög­li­chen Mieterhöhungen rech­nen, da die neuen Eigentümer die hohen Kaufpreise refi­nan­zie­ren müs­sen.
Beide Fälle, also der Umwandlung wie auch der Modernisierung mit bau­li­chen Veränderungen müs­sen von der Gemeinde geneh­migt wer­den. Diese Genehmigung darf die Stadt nur dann ver­wei­gern, wenn es für das Gebiet, indem sich das Haus befin­det, eine Erhaltungssatzung gibt. Das heißt, die Stadt kann etwas gegen die Mietsteigerungen durch Umwandlung und Modernisierung tun, wenn sie beson­ders betrof­fene Gebiete mit einer Erhaltungssatzung schützt.
Es gibt 3 Arten von Erhaltungssatzungen:

  • Städtebauliche Erhaltung. Diese Art kann man als Denkmalschutz für ein Gebiet umschrei­ben. So kön­nen auch Fassadenelemente, Dachaufbauten usw. geschützt wer­den.
  • Milieuschutz. Dieser dient dazu die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung eines Quartiers (Milieus) zu erhal­ten. Damit soll ver­hin­dert wer­den, dass Bewohner ihr Milieu durch zu hohe Mieten oder bau­li­che Veränderungen ver­las­sen müs­sen.
  • Bei städ­te­bau­li­chen Umstrukturierungen. Dabei müs­sen alle bau­li­chen Umstrukturierungen einem Sozialplan fol­gen, den die Gemeinde vor­her fest­le­gen muss.
Milieuschutzgebiete in Berlin Neukölln, © Bezirksamt Berlin Neukölln

Erhaltungssatzungen gel­ten befris­tet auf 5 Jahre. Man kann die Satzungen jedoch wie­der neu auf­stel­len. So hat Hamburg einige Gebiete bereits vier­mal hin­ter­ein­an­der unter Schutz gestellt.
Milieuschutzsatzungen wir­ken der Gentrifizierung ent­ge­gen, also dem Effekt, dass Bewohner sich ihren Stadtteil mit der Zeit finan­zi­ell nicht mehr leis­ten kön­nen. Müssen viele Bewohner ihren Stadtteil ver­las­sen, ändert sich das Milieu und damit die Eigenart des Stadtteils. Die Erfahrung in allen west­eu­ro­päi­schen Ländern zeigt, dass es einer Stadt nicht gut tut, wenn sich bestimmte Stadtviertel nur noch Gutverdiener leis­ten kön­nen. Die kul­tu­relle Vielfalt sinkt, wäh­rend sich an den Stadträndern Problemzonen bil­den, denen die soziale Durchmischung fehlt. Aus die­sem Grund haben viele Städte bereits Milieuschutzsatzungen erlas­sen und damit gute Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel sind in Berlin Neukölln ca. 70 % der Fläche unter Milieuschutz.
Es wird daher Zeit, dass sich der Oberbürgermeister und der Gemeinderat mit dem Thema beschäf­tigt, denn die Wohnungsnot ist in Freiburg noch grö­ßer als in Berlin. Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen kön­nen eige­nen Landesverordnungen erlas­sen, was die Festlegung von Schutzgebieten erleich­tert. Die Stadt München zeigt jedoch, dass die Festlegung auch in einem Flächenbundesland gerichts­fest mög­lich ist.
Für die Festlegung einer Milieuschutzsatzung muss die Stadt nur begrün­den, dass eine Verdrängungsgefahr besteht. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1997 geur­teilt: „Bei der Prognose einer Verdrängungsgefahr darf sich die Gemeinde auf nach der Lebenserfahrung typi­sche Entwicklungen stüt­zen. Mietbelastungsobergrenzen kön­nen geeig­nete Indikatoren sein.“ Das heißt, dass die Stadt einen brei­ten Ermessensspielraum hat. Verdrängungsgefahr besteht dann, wenn ein Bewohner aus sei­ner Wohnung muss, aber in sei­nem Stadtteil in abseh­ba­rer Zeit keine neue Wohnung fin­den kann und sein Milieu ver­las­sen muss. Eine oft genannte Mietbelastungsobergrenze ist, wenn jemand mehr als ein Drittel sei­nes Einkommens für die Miete aus­ge­ben muss. Beide Fälle, Verdrängungsgefahr und Überschreitung der Mietbelastungsobergrenze ist in wei­ten Teilen Freiburgs der Fall.
Die SPD Stühlinger hat daher dem Oberbürgermeister einen Brief geschrie­ben, um zusam­men mit der Verwaltung ein Vorgehen zu ent­wi­ckeln, wie in Freiburg Milieuschutz ein­ge­führt wer­den kann. Außerdem haben wir die Aktion gestar­tet, Gentrifizierung zu doku­men­tie­ren:
https://stühlinger-magazin.de/leerstand-gentrifizierung/
Mit Ihrer Hilfe wol­len wir außer Leerstand doku­men­tie­ren, wo und wie Verdrängung bereits aktu­ell ist und in wel­chen Gebieten die Wahrscheinlichkeit für Verdrängung durch gehäufte Hausverkäufe zu erwar­ten ist. Lesen Sie dazu bitte auch unse­ren Aufruf.
Sie kön­nen mit Ihren Informationen für die Wohnungslisten mit­hel­fen dass Freiburg Milieuschutzgebiete bekommt, denn erst wenn klar wird, wie viele Wohnungen bereits betrof­fen sind, kann die Politik das Thema Milieuschutz nicht mehr aus­blen­den.