Bürgerversicherung – Krankenversicherung für alle

Die Bürgerversicherung ist eines der aktu­el­len Hauptanliegen der SPD. Kurz gesagt geht es darum, die bei­den Sektoren der gesetz­li­chen (GKV) und der pri­va­ten Krankenversicherung (PKV) zu ver­ei­nen.

Warum?

Deutschland gibt in etwa soviel von sei­ner Wirtschaftsleistung für das Gesundheitswesen aus wie seine  Nachbarländer Österreich oder die Schweiz. Unser System ist den­noch in Europa spe­zi­ell, weil es in einen pri­va­ten und einen gesetz­li­chen Sektor unter­teilt ist. Die Fragen sind also wel­che Auswirkungen das hat und ob wir nicht ein ein­heit­li­ches System haben soll­ten.
Aktuell gibt es:

  • gesetz­lich Versicherte
  • pri­vat Versicherte: Beamte, Selbständige oder Personen mit einem Brottojahreseinkommen über 59.400 € kön­nen sich pri­vat ver­si­chern, müs­sen es aber nicht.

Bei Beamten erstat­tet der Arbeitgeber einen Teil der Behandlungskosten als Beihilfe. Durch die spe­zi­el­len Beamtentarife ist die PKV für die meis­ten Beamten attrak­ti­ver. Beamte machen fast die Hälfte aller pri­vat Versicherten aus.

Doch warum darf man sich erst ab einem bestimm­ten Einkommen pri­vat ver­si­chern? Das Ziel eines Sozialstaats ist eine gleich gute Krankenversorgung für alle BürgerInnen. Diese in zwei Sektoren auf­zu­tei­len, zwi­schen denen man nicht frei wech­seln kann, führt zwangs­läu­fig zu einer Ungleichbehandlung. Jeder hat sicher­lich auch schon die Erfahrung gemacht, dass pri­vat Versicherte manch­mal schnel­ler einen Arzttermin bekom­men.
Viele Privatversicherte kön­nen ihre mit dem Alter stei­gen­den Beiträge nicht mehr leis­ten. Die Rückkehr in die gesetz­li­che Krankenversicherung ist aber nur schwer mög­lich.

Unser Krankenversicherungssystem ist also nicht nur ein­ma­lig in Europa son­dern führt zu einer bevor­zug­ten Behandlung nur für bestimmte Personen und belas­tet beson­ders ältere pri­vat Versicherte. Es liegt daher nahe, beide Sektoren zusam­men­zu­le­gen, so dass auf lange Sicht alle Personen in das­selbe System ein­zah­len.

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer Studie fest­ge­stellt, dass der Staat durch eine ein­heit­li­che Krankenversicherung  bis zu 3,2 Milliarden im Jahr durch die Eingliederung der Beamten ent­las­tet würde. Geld, das dann für andere Dinge wie z.B. eine bes­sere Bezahlung von Pflegekräften da wäre. In der­sel­ben Studie wurde ermit­telt, dass Selbständige pro Jahr bei einer Eingliederung und dem Wegfall der Grenze des bei­trags­pflich­ti­gen Einkommens um 0,8 Mrd. ent­las­tet wer­den. Die Bürgerversicherung würde hier­bei zwar um 0,7 Mrd. belas­tet, die Gesamteinsparung beläuft sich aber dann immer noch auf 2,5 Mrd.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat in einem kur­zen Interview zusam­men­ge­fasst, warum die Bürgerversicherung sinn­voll ist.

Was?

Die SPD setzt sich für die pari­tä­ti­sche Bürgerversicherung ein. Das heißt Arbeitgeber und Arbeitnehmer zah­len jeweils die Hälfte der Krankenversicherungsbeiträge. Aktuell ist der Arbeitgeberanteil bei 7,3 % des Bruttoeinkommens ein­ge­fro­ren. Die Arbeitnehmer zahl­ten 2017 im Schnitt 8,4 %. Bis 2005 waren die Anteile pari­tä­tisch ver­teilt; dazu wol­len wir zurück­keh­ren.

Auf lange Sicht sol­len alle Personen in das­selbe gesetz­li­che System ein­zah­len. Unser Ziel ist eine lang­fris­tige Eingliederung der pri­vat Versicherten. Niemand soll zu einer Eingliederung gezwun­gen wer­den.

Wie?

  • Für alle bis­her gesetz­lich Versicherten ändert sich nichts. Die Gesetzliche Krankenversicherung heißt nur zukünf­tig Bürgerversicherung.
  • Neue Personen wer­den nur noch in die Bürgerversicherung auf­ge­nom­men.
  • Für Beamte wird in der Bürgerversicherung ein bei­hil­fe­fä­hi­ger Tarif geschaf­fen. Der Arbeitgeber kann wäh­len, ob er einen Beitrag zahlt oder, wie bis­her, über die Beihilfe einen Anteil der Behandlungskosten direkt über­nimmt.
  • Privatversicherte kön­nen wäh­len, ob sie in die Bürgerversicherung wech­seln möch­ten. Die Beiträge wer­den in Zukunft nach dem tat­säch­li­chen Einkommen fest­ge­legt.
  • Die Pflegeversicherung wird eben­falls in eine Bürgerversicherung gewan­delt.
  • Es gibt eine ein­heit­li­che Honorarordnung für Ärzte. Dieselbe Leistung wird also gleich ver­gü­tet, egal in wel­cher Versicherung ein Patient ist.
  • Die Höhe der Beiträge wird zukünf­tig gemäß dem Gesamteinkommen fest­ge­legt, also außer dem Gehalt auch auf Einkünfte aus Kapitalerträgen, Mieteinnahmen usw., aller­dings nur bis zu einem bestimm­ten Höchstsatz.

Pro

  • Stärkung der Solidarität durch ein ein­heit­li­ches System, in das alle ein­zah­len
  • Entlastung der Angestellten durch pari­tä­ti­sche Beiträge
  • Senkung des Beitragssatzes für ältere Privatversicherte und für Selbständige mit nied­ri­gem Einkommen
  • Gerechtere Beiträge durch Einbeziehung aller Einkünfte
  • Größerer Wettbewerb der Kassen um die beste Versorgungsqualität

Kontra

  • Honorarverluste bei Ärzten durch Reduzierung der bis­her höher bezahl­ten Leistungen für Privatpatienten auf ein ein­heit­li­ches Niveau
  • höhere Belastung für Selbständige mit höhe­rem Einkommen
  • Ein Teil der Angestellten von pri­va­ten Krankenkassen muss sich bei ande­ren Krankenkassen einen neuen Job suchen
  • Höherer Verwaltungsaufwand durch Anrechnung aller Einkommen

Aus dem Wahlprogramm der SPD

Als Referenz was genau die SPD bis­her beschlos­sen hat:

Der medi­zi­ni­sche Fortschritt soll wie­der gemein­sam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finan­ziert wer­den. Und wir sor­gen dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger dar­auf ver­las­sen kön­nen, unab­hän­gig von Einkommen und Wohnort die beste medi­zi­ni­sche und pfle­ge­ri­sche Versorgung zu bekom­men. Dafür schaf­fen wir eine Bürgerversicherung, in die alle ein­zah­len und durch die alle die not­wen­di­gen medi­zi­ni­schen Leistungen bekom­men. Eine Zwei-Klassen-Medizin soll es nicht län­ger geben. In der Alterssicherung gilt für uns der Grundsatz: Nach jahr­zehn­te­lan­ger Arbeit ermög­licht die Rente ein ange­mes­se­nes Leben im Alter. Der Sozialstaat ist für alle da, des­halb wer­den wir auch neue Beschäftigungsformen wie die Solo-Selbstständigkeit absi­chern und in die Sozialversicherungen ein­be­zie­hen.
Eine Bürgerversicherung für alle in Gesundheit und Pflege:
Wir wol­len alle Bürgerinnen und Bürger auf die glei­che Weise ver­si­chern. Ziel ist die pari­tä­ti­sche Bürgerversicherung. Paritätisch bedeu­tet: Arbeitgeber und Versicherte wer­den wie­der den glei­chen Anteil am gesam­ten Versicherungsbeitrag zah­len. Daher schaf­fen wir den ein­sei­ti­gen Zusatzbeitrag der Versicherten ab.
Alle erst­ma­lig und bis­lang gesetz­lich Versicherten wer­den wir auto­ma­tisch in die Bürgerversicherung auf­neh­men. Dazu zäh­len auch Beamtinnen und Beamte, für die in der Bürgerversicherung ein bei­hil­fe­fä­hi­ger Tarif geschaf­fen wird. Die öffent­li­chen Arbeitgeber kön­nen wäh­len, ob sie für gesetz­lich ver­si­cherte Beamtinnen und Beamte einen Arbeitgeberbeitrag zah­len oder wie bis­her über die Beihilfe einen Anteil der Behandlungskosten direkt über­neh­men. Bisher Privatversicherte kön­nen wäh­len, ob sie in die Bürgerversicherung wech­seln möch­ten. Die gesetz­li­che Krankenversicherung machen wir für Selbstständige mit gerin­gem Einkommen güns­ti­ger. Dazu wer­den wir die Bemessung der Beiträge für Selbstständige ein­kom­mens­ab­hän­gig aus­ge­stal­ten und so die Beiträge bei gerin­gen Einkommen sen­ken. Die Finanzierung der Bürgerversicherung muss gerecht sein. Gesellschaftliche Aufgaben müs­sen auch soli­da­risch finan­ziert wer­den. Darüber hin­aus ist es unser Ziel, Menschen mit chro­ni­schen Erkrankungen von Zuzahlungen zu ent­las­ten und Leistungen für  Zahnersatz und Sehhilfen zu ver­bes­sern.
Auch in der Pflege soll es die Bürgerversicherung geben. Wir wol­len Bürgerinnen und Bürger bes­ser gegen Pflegerisiken absi­chern.
Mit der Bürgerversicherung schaf­fen wir eine ein­heit­li­che Honorarordnung
für Ärztinnen und Ärzte. Bislang wer­den Privatpatientinnen und ‑pati­en­ten oft­mals bevor­zugt, da ihre Behandlung höher ver­gü­tet wird. Das wer­den wir been­den. Damit rich­tet sich die Vergütung medi­zi­ni­scher Leistungen nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten und nicht danach, ob sie pri­vat oder gesetz­lich ver­si­chert sind.