Stühlinger SPD gedenkt der Toten des deutschen Fliegerangriffs auf Freiburg vom 10. Mai 1940
Am 10. Mai 1940, am Beginn des Westfeldzuges der deutschen Armee, flog gegen 16 Uhr ein deutsches Kampfgeschwader aus drei Flugzeugen über Freiburg. Da sie deutsche Hoheitsabzeich trugen, reagierte die Flugabwehr auf dem Lorettoberg nicht. Als die Flieger da ankamen, wo sich heute die Richard-Fehrenbach-Schule befindet und Richtung Stühlinger flogen, ließen sie plötzlich Bomen fallen. Insgesamt wurden 69 Bomben abgeworfen. Im Stühlinger wurden insgesamt 53 Häuser getroffen. 57 Menschen starben, darunter 22 Kinder. Der grausamste Bombenabwurf erfolgte auf dem Hildaspielplatz (Ecke Colmarer- und Kreuzstraße). Dort kamen dreizehn der dort spielenden Kinder ums Leben.
Seit 1985 gedenken die Stühlinger Sozialdemokraten am Gedenkstein auf dem Hildaspielplatz mit einer kleinen Gedenkfeier dem schrecklichen Ereignis. In diesem Jahr hielt Philipp Kolb, der stellvertretende Vorsitzende der Stühlinger SPD, die Ansprache. Neben der Schilderung des Ereignisses erläuterte er auch, wie die Nazipropaganda den deutschen Fliegerangriff in einen „feigen Lufangriff der Alliertierten“ ummünzte. Sie gaben eine Broschüre mit dem Titel „Freiburgs Mütter klagen an“ heraus, in der die toten Kinder abgebildet wurden und in der wider besseres Wissen den allierten Westmächten die Schuld für den Bombenangriff zugeschoben wurde. Wie man sieht: Fake-News gab es schon vor dem Internet und war auch ein Mittel der Nazi-Propaganda.
Nach dem zweiten Weltkrieg blieb das Ereignis vom 10. Mai 1940 für die Freiburger Stadtgesellschaft im Dunklen. Daran hätte sicher die Nazipropaganda ihren Anteil, betonte Philipp Kolb. „Aber sicher auch die Tatsache, dass große Teile der Bevölkerung die Zeit der Naziherrschaft bewußt verdrängen wollten!“ Es sei das Verdienst des Historikers Anton Hoch, schon Mitte der fünfziger Jahre Licht in das Dunkel des schrecklichen Ereignisses gebracht zu haben. Schließlich hätten die Historiker Gerd R. Überschär und Wolfram Wette die Hintergründe in ihrem Buch „Bomben und Legenden“ weitgehend aufgeklärt. Sie wiesen nach, dass technisches und menschliches Versagen die Ursache für dieses Bombenabwurf der deutschen Flieger gewesen waren. „Nicht auszudenken“, so Kolb, „zu welchen Katastrophen ein solches Versagen heute führen könnte!“
Während der Ansprache von Philipp Kolb spielten seine beiden kleinen Kinder auf dem Hildaspielplatz. Dies nahm er zum Anlass seine Betroffenheit über das damals Geschehene noch deutlicher zu machen: „Im Angesicht meiner spielenden Kinder wird es mir bei der Erinnerung an das Ereignis vom 10. Mai 1940 schmerzlich bewußt, wie furchtbar es ist, wenn plötzlich aus dem Nichts auf einen Spielplatz mit spielenden Bomben fallen.“
Kolb machte auch deutlich, wie schwer es für die Freiburger Bürger war, sich die wahren Hintergründe des Ereignisses bewußt zu machen. Erst auf Drängen der Stühlinger SPD sei 1985 der Gedenkstein durch den damaligen Oberbürgermeister Rolf Böhme eingeweiht worden. Das auf der am Stein angebrachten Gedenktafel der Hinweis steht, dass es ein deutscher Fliegerangriff war, sei der unnachgiebigen Haltung der Stühlinger Sozialdemokraten zu verdanken.
Im Anschluss an die Ansprache legten der Ortsvereinsvorsitzende Uwe Stöhr und sein Stellvertreter Philipp Kolb gemeinsam auf dem Gedenkstein ein Blumengebinde nieder. Anschließend gedachten sie gemeinsam mit den anwesenden Teilnehmern der 57 Toten vom 10. Mai 1940.
Am Ende der Gedenkfeier wurde noch in Kleingruppen über das Ereignis, und was es den Menschen heute bedeutet, gesprochen. Wie jedes Jahr waren auch diesmal Zeitzeugen anwesend: Gottfried Beck, 1932 in Freiburg geboren und Inhaber des Bettenhauses Stiegeler, berichtete, dass er den Fliegerangriff nur durch einen Zufall überlebt hatte. Sein Elternhaus, das sich über den an den Hildaspielplatz angrenzenden Bahngleisen befand, wurde durch den Fliegerangriff völlig zerstört. Nur weil er sich in der benachbarten Schule befand, wurde er nicht getötet. Käthe Obermaier-Hiß, damals acht Jahre alt und Schülerin der Hebelschule, verlor zwei Klassenkameradinnen durch Tod auf dem Spielplatz. Roswitha Wenz, geborene Kick, ist nach dem Angriff geboren. Sie konnte ihre ältere Schwester Irene Kick niemals kennenlernen, weil sie ebenfalls auf dem Spielplatz durch die Bomben ums Leben kam. Ebenfalls auf bei der Gedenkfeier dabei war Gertrud Vetter, die Cousine von Irma Kick. Gottfried Beck, der den Fliegerangriff hautnah miterlebt hat, machte im Gespräch deutlich, dass solange er lebe mithelfen wolle, die „nächsten und übernächsten Generation davon zu überzeugen, sich dafür zu engagieren, dass solche Ereignisse sich nicht wiederholen dürfen!“
Zu den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung gehörte auch der Erste Bürgermeister der Stadt Freiburg, Ulrich von Kirchbach. Er bedankte sich bei den Vertretern der Stühlinger SPD, dass der SPD Ortsverein an jedem Jahrestag die Gedenkfeier durchführt.