Die letzten Jahre haben wir vom Stühlinger MAGAZIN von immer mehr Fällen erfahren, bei denen Leute unerwartet eine Wohnung brauchten und es nicht fassen konnten, wie schwer es ist, eine neue Wohnung zu finden. Das sind Leute, die bereits Jahre in Freiburg wohnen, hier aufgewachsen sind und arbeiten. Es ist daher nicht übertrieben zu sagen, „es kann jeden treffen“. Dieser Artikel zeigt, wie wir alle bereits betroffen sind.
Freiburg ist eine der jüngsten Städte Deutschlands, das heißt, ein Großteil des Wohnungsbedarfs kommt durch Schüler, die in Zukunft eine Ausbildung oder ein Studium anfangen und eine eigene Wohnung beziehen wollen. Bei der Abstimmung dürfen alle FreiburgerInnen ab 16 Jahren wählen und alle Schüler und Studenten müssen sich bewusst sein, dass Wohnungsnot sie demnächst ganz sicher treffen wird. Ihre Familien sind auch betroffen, schließlich ist es ein natürlicher Wunsch, dass die eigenen Kinder in der Region wohnen bleiben können.
Junge Familien sind betroffen, denn Nachwuchs braucht mehr Platz. Man muss sich dann meist eine größere Wohnung suchen und familiengerechte Wohnungen sind besonders schwer zu finden. Wir mussten schon mehrfach erleben, dass Familien die Stadt verlassen haben, weil einfach keine Wohnung in oder um Freiburg zu finden war. Das heißt Leute verlassen ihre Heimat, damit sie Familie mit mehreren Kindern haben können.
Alle Mieter sind betroffen, denn gegen eine Eigenbedarfskündigung kann man nichts machen. Wir haben die letzten Jahre einige dieser Fälle mitbekommen. Oft trifft es langjährige Mieter, die dachten, dass sie noch lange in ihrer Wohnung wohnen werden. Ein Grund für den Anstieg sind die stark angestiegenen Verkaufspreise, die es lukrativ machen, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Die Preise steigen umso stärker, je weniger Angebot es gibt und durch das Wachstum der Stadt durch unsere Kinder steigt die Nachfrage stetig.
Ältere Leute sind betroffen, wenn sie eine kleinere Wohnung suchen. Die hohen Wohnungspreise führen zu der paradoxen Situation, dass es billiger ist, allein in einer Vierzimmerwohnung zu wohnen, wenn man einen alten Mietvertrag hat oder Eigentümer ist, als aktuell in eine Zweizimmerwohnung umzuziehen. Familien finden also keine Vierzimmerwohnungen, weil diese zum Teil von Einzelnen bewohnt werden, die gerne umziehen wollen, es sich aber nicht leisten können.
Weiterhin sind alle Paare betroffen, denn im Leben gibt es leider auch Trennungen. In diesem Fall steht dann eine Person quasi auf der Straße und die Stadt kann nicht helfen. Es ist bitter, dass Personen dadurch aus ihrem normalen Umfeld gerissen werden, denn ohne Wohnung kann man seiner Arbeit nicht nachgehen. Es ist eine Wahrheit, dass sich das Sozialamt mittlerweile um Betroffene von Trennungen kümmern muss, die mitten im Leben stehen und in Notunterkünften wohnen müssen, die eigentlich für Notfälle wie Opfer häuslicher Gewalt oder Obdachlose gedacht sind.
Wir alle, auch Wohnungsbesitzer, sind betroffen, denn wir sind darauf angewiesen, dass unsere Stadt lebenswert bleibt – unser Müll abgeholt wird, die Busse fahren, wir einen Pflege- oder Kindergartenplatz finden. Schon jetzt kann jede zehnte Stelle bei der Müllabfuhr nicht besetzt werden, weil es für die ArbeiterInnen keine Wohnungen gibt, von denen aus man nachts um 4 Uhr pünktlich zur Schicht kommt, von Bezahlbarkeit ganz zu schweigen.
Viele FreiburgerInnen mussten schon erfahren, dass Kindergartenplätze fehlen, weil wir nicht genügend pädagogische Fachkräfte haben. Die Stadt hat also bereits einen Wohnraummangel, der nicht durch Auswärtige zustande kommt. Wir Einwohner sind betroffen und deswegen haben wir es auch in der Hand, wie und wo wir in Zukunft hier leben können.